Dschungel über Kopf

Wir waren im Dschungel, mittendrin. Wir haben sozusagen mit den Gorillas in den Baumkronen gesessen und sie bei der Aufzucht eines Menschenkindes aus nächster Nähe beobachten können. Denn: Beim Musical “Tarzan” in Hamburg wird auch der Zuschauerraum der Neuen Flora immer wieder zur Bühne.

Tarzan (Anton Zetterholm) bei seiner täglichen Arbeit. Foto (C): Stage Entertainment

Dann  schwingen “Menschenaffen” an grünen Lianen von links nach rechts über die Köpfe der Besucher hinweg oder seilen sich aus dem Scheinwerfergerüst unterm Dach bis ins Parkett ab. Zwischendurch flattern riesige Schmetterlinge an dünnen Stahlseilen vom Rang zur Bühne, wo gigantische Urwaldblüten erblühen, deren bunte Blätter sich entfalten, weil ein Artist erst im geschlossenen Kelch kauerte und dann in luftiger Höhe Arme und Beine streckt. Und auch der Titelheld verbringt einen wesentlichen Teil der Aufführung kopfüber singend zwischen Himmel und Erde. Für optische Abwechslung ist also gesorgt.
Inahltlich geht es drei Stunden lang (inklusive Pause) um die bekannte Geschichte: Eltern stranden samt Baby irgendwo in Afrika, doch Mutter und Vater überleben den Urwald nicht lange. Eine Gorilla-Mutter nimmt das Kleinkind an sich. Der Affenmensch wächst unter Menschenaffen zu einem pelzlosen Ureinwohner des Dschungels heran, muss sich aber erst noch das Vertrauen des Obergorillas verdienen.
Dann taucht ein leicht zerstreuter Professor auf, der mit seiner jungen, grundguten Tochter die Lebewesen des Urwalds erforschen will. Während Väterchen Tee schlürft, gerät Jane in der urwüchsigen Natur beinahe unter die Räder, doch Tarzan rettet sie. Man verliebt sich Hals über Kopf, was im Falle des Affenmenschen nicht bloß eine Redensart ist – doch der Oberaffe und Chef von Tarzans Sippe bleibt misstrauisch gegenüber den Menschen, weil er auch deren Lust am sinnlosen Jagen und Morden nur zu gut kennt. Klassischer Stoff mit vorhersehbaren Entwicklungen – es kommt als vor allem auf die Umsetzung an.
Das alles ist wild und bunt zu erleben: Eine trickreiche Lichtregie schafft mit Projektionen und Scheinwerfern schöne Illusionen, eine vielfältige Bühne mit vielen Luken und Klappen, die einen rasanten Kulissenwechsel gestatten, vermittelt den saftig-grünsten Eindruck, den ein Dschungel nur vermitteln kann. Nahezu jeder Winkel der Bühne und des Zuschauerraumes dient als Kulisse für die akrobatisch versierten Darsteller, Tänzer, Schauspieler und Sänger.
Das Musical hat schon vor seiner Premiere vor ein paar Tagen viel Medienwirbel verursacht. So wurden die beiden Hauptdarsteller in einer Casting-Show im Fernsehen ermittelt. Außerdem ist auch Phil Collins Teil der Inszenierung: Er hat die Musik zur Bühnenumsetzung komponiert. Der Titelsong “Dir gehört mein Herz” (You’ll be in my heart) ist aus dem Radio bekannt – sein Komponist erhielt für diesen Soundtrack zum Disney-Film aus dem Jahr 2000 einen Golden Globe und einen Oscar.
Phil Collins hat dafür gesorgt, dass die Trommeln des Orchesters zum Dschungel passend knackig donnern, um später auch mal mit Flöten und dramatischem Bläsersatz herzerweichende Liebesschwüre zu untermalen. Die Musik ist in Ordnung, wenn auch die besonders eingängigen Melodien rar sind . Fesselnde Passagen gibt manchmal, zum Beispiel wenn die Affen sich genau so benehmen, wie man sich das so vorstellt als Großstadtmensch.

Man singt im Hamburger Urwald auf Deutsch. Und da kann die Inszenierung nicht besonders hoch punkten. Den Lied-Texten fehlt, ebenso wie den Dialogen, der letzte Pfiff, zuweilen kann man den Eindruck gewinnen, dass es wichtiger war, eine zum englischen Original identische Zahl an Silben zu finden und sie in die Songs zu übernehmen. Elegant wirkt das manchmal nicht, wie etwa in dem Lied “Zwei Welten.”

Hör die Wörter, die Dein Schicksal prägen

Zwei Welten, eine Familie

Glaub an Dich, vertrau darauf!

Das Leben zeigt Dir,  wie.

Ein unberührtes Paradies

in einer samtgrünen Welt

wo Liebe lebt und Friede wohnt.

Trete leise, denn Gefahren lauern.

Zwei Welten, eine Familie

Hmm. Ein bisschen Situationskomik (immerhin), wenn Tarzan zum ersten Mal menschliche Sprache nachahmt, kommt dann nach gewisser Wartezeit gerade recht.

Im Mittelpunkt der Inszenierung stehen die Casting-Show-Gewinner Anton Zetterholm (Tarzan) und Elisabeth Hübert (Jane) – nach der inflationären Talentsuche der vergangenen Jahre und der geringen Halbwertzeit, die manch ein Gewinner mit wahrnehmbarem Erfolg verbringt, kann man schon ein bisschen  skeptisch sein, bevor sich die Lianen lichten. Die Skepsis ist unbegründet. Tarzan und Jane liefern eine solide Leistung, musikalisch, akrobatisch und darstellend, sie stehen damit dem Ensemble in nichts nach. Die singenden und tanzenden Dschungel-Akrobaten sind für ihre präzise und gleichtzeit so mühelos wirkende Hangel- und Hüpferei zu bewundern.

Das Musical ist massentaugliche Unterhaltung, eine bunte Show mit viel Technik und einer spannenden Choreographie, vor allem auch hinter und unter der Bühne – schließlich müssen da jede Menge fliegende Kulissen und Darsteller koordiniert werden. Besonders tiefgründig gehts aber nicht zu auf der Dschungelbühne. Karten kosten an der Abendkasse zwischen 29,90 und 114,90 Euro.

Allerdings ist trotz der ausführlich vorgespielten Dschungel-Geschichte nach der Hälfte Schluss – wenn es nach der literarischen Vorlage geht. Die Reise des Affenmenschen in die Großstadt London an der Seite seiner großen Dschungel-Liebe ist in Hamburg kein Thema.

Pluspunkte: Akrobatik, Licht und Technik

In Ordnung: Darsteller und Musik

Minuspunkte: Einige Texte

(Dieser Text bezieht sich auf die 20-Uhr-Vorstellung vom 30.10.2008)

Die Internetseite zum Musical

wikipedia über Tarzan

Phil Collins, deutschsprachige Internetseite

Rezensionen: Kieler Nachrichten: Spannungsarme Luftakrobatik, Focus online: Hamburg im Dschungelfieber

sueddeutsche.de über Schimpanse und Altersrekordler Cheeta, der an der Seite von Johnny Weissmüller in den legendären Filmen mitspielte (Cheeta hat seinen 75. Geburtstag in einem Seniorenheim für Affen gefeiert)

Autor: Christian

Der Verfasser aller Beiträge auf kohlhof.de

12 Gedanken zu „Dschungel über Kopf“

  1. Ein leichtes Versehen?!
    Bei der Bildunterschrift steht:

    “Tarzan (Alfons Zetterholm) bei seiner täglichen Arbeit.”

    Hieß er nicht Anton Zetterholm?!

  2. Verd… Vollkommen richtig. Mein Fehler. Ich korrigiere es gleich in der Bildunterschrift. Tarzan heißt Anton mit Vornamen. Entschuldigung.
    PS: Ich habe bei dem Nachnamen wohl eher an Alfons Zitterbacke gedacht.

  3. Hauptsache sich über ein geniales Musical beschweren und noch nicht mal in der Lage sein, einen Namen richtig oder wenigstens auf nur eine Weise falsch zu schreiben… WOW!
    Der Mann heißt weder ALFONS Zetterholm, noch Anton ZITTERHOLM…
    Warum nicht gleich Alfons Zitterbacke…?!

    Und hätte man das Musical bis zum Schluss geschaut, wüsste man vielleicht auch, wie es endet…
    (Ich zitiere: “Die Reise des Affenmenschen in die Großstadt London an der Seite seiner großen Dschungel-Liebe ist in Hamburg kein Thema.”)
    Tarzan steht sehr wohl vor der Entscheidung mitzugehen oder nicht!

    Ich habe es 2x gesehen und fand es 2x atemberaubend, was sowohl am Schauspiel, als auch an der genialen Musik lag!

    MfG

  4. @Dieter:
    Vielen Dank für den Hinweis auf den zweiten Fehler im Text. Ich habe ihn soeben mit bedauerndem Gesichtsausdruck korrigiert. Die Namensfehler sind natürlich ärgerlich – für meine persönliche Einordnung der Darbietung allerdings vollkommen unerheblich (Die Tatsache, dass der Fehler in diesem Text aus dem November vergangenen Jahres erst jetzt bemerkt wurde mag ein weiteres Indiz dafür sein).
    Ihnen ist es unbenommen, etwas atemberaubend zu finden – ich hingegen erlaube mir, die Inszenierung für eher durchschnittlich zu halten.
    Zudem habe ich auch den letzten Vorhang gesehen. Trotzdem gab es bis zum Schluss keine einzige Szene mit Tarzan in England zu sehen.

  5. hey christian…
    also ich hab grad nochmal meinen text überflogen und ich geb zu… klingtn bisschen aggressiv… war nich so gemeint! ich fand es nur schade, dass das musical mehr oder weniger “runtergemacht” wird… die namenspatzer haben wahrscheinlich wirklich nix damit zu tun, aber es kam halt so rüber, wie “ich weiß nicht worüber ich schreibe, aber ich schreibe”… auch wenn es wahrscheinlich nicht so ist..
    Und ich muss zugeben, dass ich auh einschränkungen machen muss, was tarzan in england betrifft, allerdings hätten diese szenen wahrscheinlich den rahmen gesprängt… aber was ich meinte war, dass tarzan vor die entscheidung gestellt wurde mitzugehen oder nicht und sich aufgrund von kerchaks tod dagegen entschieden hat… also würde ich nicht sagen, dass das problem einfach weggelassen wurde..
    lg, alex

  6. ;) okay..
    ich muss zugeben, ich bin neugierig…
    darf ich fragen wen du bzw sie in den beiden hauptrollen gesehen hast/ haben?
    alex

  7. Außer an die im Text erwähnten kann ich michan keine Namen erinnern:
    Im Mittelpunkt der Inszenierung stehen die Casting-Show-Gewinner Anton Zetterholm (Tarzan) und Elisabeth Hübert (Jane)

  8. Wir haben gerade Musicals als Thema im Musik Unterricht!!Meine Freundinn und ich haben uns für TZarzan entschieden!!Ich habe den noch nie gehsehen und im Fernsehen kommt jetzt Tarzan als Zeichentrick=)Kann ich den auch sehen oder is der nich soo gut?????

  9. Tja, wenn das Thema “Musicals” ist – und nicht “Zeichentrickfilme” – dann kommt meiner Meinung auch nur das Musical infrage. Mal abgesehen davon, dass die Bühnenshow ja auf der Filmvorlage basiert. Was sagen denn Onkel Google und Tante Wiki über Parallelen und Unterschiede?
    Wie “gut” der Film ist, kann ich leider nicht sagen.

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