Ruder-Revival

Es ist sprichwörtlich viel Wasser die Trave und die Wakenitz heruntergeflosssen, seit ich zum letzten Mal in einem Ruderboot saß. In der Schulzeit am Katharineum zu Lübeck ging ich teilweise an vier Tagen in der Woche aufs Wasser. In der Katharineum-Ruder-Riege (KRR) habe ich mit die beste Zeit in Mittel- und Oberstufe verbracht. Seit dem Abi wurden die Ruderfahrten seltener, vor gut und gerne sechs bis acht Jahren habe ich zuletzt die Füße aufs Stemmbrett gesetzt und tapfer den hölzernen Rollsitz ertragen… bis zum verangenen Wochenende dauerte diese Pause. Eine Ehemaligenwanderfahrt war das Beste, was ich seit langem getan habe.

Dabei war vor dem ersten Ruderschlag gar nicht klar, ob wir gesetzten Herren in unserem Gig-Vierer diese Tour überhaupt überleben würden. Schließlich hatten wir in kühnem Wahn ganz einfach mal Salem im Herzogtum-Lauenburg als Ziel gesetzt. Das bedeutet: Auf dem Weg von Lübeck zum Sandstrand des malerischen Campingplatzes sind es 35 Kilometer auf dem Wasser und zwei Landgänge, um Boote, Zubehör und Gepäck von einem Gewässer zum anderen zu tragen. Allerdings ist Salem auch das wohl beste Ziel für eine Wanderfahrt von Lübeck aus, weil auch der Weg dorthin besonders sehenswert und abwechslungsreich ist. Vernünftig wäre es sicherlich gewesen, eine Tagesausfahrt oder ein näheres Ziel zu wählen – wir sorgten uns um unsere Rücken, Hintern, sämtliche Muskeln und vor allem die Innenflächen unserer Hände, die sich an den Griffen der Skulls, also der Ruder, im Wortsinn aufreiben lassen. Sonnabend Vormittag gings los, 36 Stunden später, bei unserer Rückkehr stellte sich heraus: Die Befürchtungen waren weitgehend unbegründet. Wir habens noch voll drauf, Mann. Ok, auf die letzten zehn Kilometer hätten wir fünf im Boot auch gern verzichtet, aber der Reihe nach.

Die Tour führt vom Lübecker Ruderklub zum Steg der Lübecker Rudergesellschaft am Elbe-Lübeck-Kanal. Von dort trägt man die Boote ein paar Meter höher zum Düker, einem künstlichen Überlauf der Wakenitz. Dort geht es 13 Kilometer bis zum Ratzeburger See, vorbei an Schwänen, Enten, Reihern, blühenden Seerosen, wogenden Laubbäumen, badenden Kindern, ins Wasser ragenden Baumstümpfen und tuckernden Ausflugsdampfern. Auf dem Ratzeburger See herrschte ein Gedrängel an Segelbooten wie sonst nur vor Warnemünde bei der Warnemünder Woche.

Ein Durchstich zum Küchensee bringt einen auf die Regattastrecke vom Ratzeburger Ruderclub und weiter zum Restaurant Farchauer Mühler. Hier ist es nötig, die Boote auf eine Wagen zu verladen und einen Kilometer weit zum Schalseekanal zu schieben. Dieser führt teilweise schnurgerade durch die Wälder in der Nähe des Biospärenreservats Schaalsee führt. Wenn man aus der Grünen Hölle hinaus auf den Salemer See rauscht, kann man den Strand und damit das Ziel hinter einer Landzunge schon erahnen.

Unser Boot glitt mit erstaunlich wenig Schwanken, dafür aber mit einer ruhigen, gleichmäßigen Schlagzahl äußerst effektiv über Flüsse, Seen und Kanäle. Es war wie früher – auch die Sprüche von Spaziergängern und Ausflüglern haben sich nicht geändert: “1-2-zieh” (nühahaaa), “mit dem Tempo werdet ihr nie Meister” (widsiiiich) “Der Steuermann tut ja gar nichts!” (Brüller). Aber wir haben ja auch Spaß daran, Nordic-Walkern die Frage hinterherzurufen, ob sie ihre Ski vergessen haben.

Drei Boote mit KRR-Ehemaligen waren dabei. Einige Ruderer nutzten schon die Pausen auf der Wakenitz und dem Ratzeburger See zum Baden vom Boot aus. Auf dem Rückweg am nächste Tag war das Interesse daran schon etwas geringer. Die Hinfahrt steckte uns noch in den Knochen, auf dem Ratzeburger See wehte kein Lüftchen, dafür brüllte die Sonne – wir wurden also gegrillt und kämpften uns mühsam zurück nach Rothenhusen. Dort gibt es ein Seglerheim, wo wir uns leicht erschöpft aus dem Boot an Land hievten, um die nicht unerhebliche Menge an Pommes und Currywürsten des Wirts fast vollständig zu verschlingen. Trotz dieser Stärkung und der regelmäßigen Zufuhr von gekühltem Bier machte sich eine gewisse Mattigkeit breit. Vor allem das besonders kraftaufwändige Anfahren nach jeder Pause ließ uns aufstöhnen wie Galeerenruderer. Muskeln in Armen, Beinen und Rücken brauchen eben auch mal ne Pause.

Trotzdem: Versorgt von einem aufmerksamen Landdienst, der nicht nur Zelte und Rucksäcke im Auto transportierte, sondern auch zur richtigen Zeit mit Erfrischungen in Ufernähe auftauchte und bei unserer Rückkehr am Bootshaus mit frischen Döner wartete, haben wir die Tour ohne große Leiden überstanden. Gut, dem einen oder anderen zwackte der Rücken – und Blasen an Händen und Fingern gehören dazu. Aber das kann man ja nun wirklich verschmerzen…

Autor: Christian

Der Verfasser aller Beiträge auf kohlhof.de

Ein Gedanke zu „Ruder-Revival“

  1. Wie schön für dich!!! Dachte gerade, hättest du geschrieben, dass du dabei ins Wasser gefallen bist, hätte ich mal die Kommentare sehen mögen … so ist das Volk eben!

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