Haiti im Radio

Die Berichterstattung über das verheerende Erdbeben in Haiti bestimmt seit einer Woche die Aktuell-Sendungen der meisten Radio-Stationen. Wie kommen die Berichte aus dem und über das Erdbebengebiet ins Radio?

Schon kurz nach den ersten Eil-Meldungen über die verheerenden Erdstöße am vergangenen Dienstag gab es das erste Sammel-Angebot des zuständigen Studios “Mittelamerika”: “Von Michael Castritius, ARD-Studio Mexiko, bieten wir an: Schweres Erdbeben in Haiti BoE (ca 01’00) bis 01:00 Uhr im File Transfer”. Sammelangebote sind Korrespondentenbeiträge von standardisierter Länge, die per ARD-Netzwerk an alle Redaktionen verteilt werden. Es gibt sie für gewöhnlich in der Kombination “kurz und lang”. Kurz bedeutet ein maximal einminütiges Stück, in der Regel ohne O-Töne für die Nachrichten-Sendungen. Lang bedeutet: Ein Bericht von gut 2:30 Minuten mit mehreren O-Tönen. Für den ersten Beitrag zum Erdbeben hat der für diese Region zuständige rbb allerding einen BoE angekündigt, einen Bericht ohne Einblendungen, also ohne O-Töne – in diesem Fall eine andere Umschriebung für ein kurzses Sammel. Schließlich gab es zu diesem Zueitpunkt noch keine Augenzeugenberichte, Aussagen von Hilfsorganisationen und dergleichen.

Bei Ereignissen von diesem Ausmaß wie jetzt in Haiti ist das öffentliche Interesse an aktuellen Berichten über Hilfe für die Opfer, Rettungsarbeiten und weitere Folgen besonders groß. Deshalb bieten die ARD-Korrespondentenbüros in der Regel dann nicht nur die Sammel-Beiträge an, sondern stehen den Sendern auch in Live-Schaltungen Rede und Antwort über ihre Eindrücke, Erlebnisse, Recherchen. Die Disposition, welche Station wann zum Korrespondenten schalten kann, übernimmt die zuständige ARD-Welle, die auch den Korrespondenten gestellt hat. Im aktuellen Fall plant dies das info-radio vom rbb.

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ARD-Sammelangebot für Hörfunkredaktionen. Weitere Einträge in der Liste sind unter anderem Sendeprotokolle anderer ARD-Wellen.

Die Live-Schaltungen nach Mexiko-Stadt laufen im Zehn-Minuten-Takt. Also zum Beispiel: 7:00-7:10 WDR2, 7:10-7:20 hr3, 7:20-7:30 Radio Eins und so weiter. Die Zahl dieser Live-Slots ist begrenzt. Deshalb stellen die Korrespondenten für alle anderen Stationen mehrmals täglich auch noch drei oder vier standardisierte, aufgezeichnete Antworten zur Verfügung. Diese können die Redaktionen dann anstelle von Berichten als Korrespondentengespräch senden. Dies hat zwei Gründe: 1.) Die Reporter können auf diese Weise entlastet werden, 2.) die Redaktionen können sich unterschiedlicher Darstellungsformen bedienen. Außerdem hat der rbb inzwischen längst Verstärkung ins Studio in Mexiko geschickt. Zwei zusätzliche Kollegen berichten von dort, während Reporter Michael Castritius in Haiti unterwegs ist.

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Ausschnitt aus intern.tagesschau.de - dort gibt es eine Übersicht aller Auslandsstudios der ARD.

Vor allem für die Opfer und Rettungsmannschaften bedeuten das Erdbeben und die Tage und Wochen danach eine für uns unvorstellbare Belastung. Aber auch viele Reporter – vor allem in der Trümmerlandschaft – gehen in diesen Tagen an ihre Grenzen, um zu berichten.

Autor: Christian

Der Verfasser aller Beiträge auf kohlhof.de

3 Gedanken zu „Haiti im Radio“

  1. So, da hab ich ja dann gleich mal den Experten. Mir ist bei einem Bericht von Haiti folgendes aufgefallen. Der Reporter stand vor der Kamera und hatte in der Hand ein dickes Satellitentelefon. Es war kein eingeblendetes Bild sondern richtiges Video. Jetzt frage ich mich, wozu er das Telefon brauchte? Die Bilder wurden ja auch irgendwie übertragen und da Audiostream im Verhältnis zu Video doch recht schmal ist, hätte man das doch zusammen packen können. Oder ist die Übertragung nur simplex?

  2. Tach! Ich bin ja nun vom Radio und nicht vom Fernsehen, das sind von der übertragennen Datenmenge her natürlich unterschiedliche Welten. So kann ich nur vermuten, aber ich glaubee, ich liege mit folgender Erklärung recht nahe an der Realität:
    Die Kollegen benötigen nicht nur eine Strecke, um von Haiti nach Deutschland zu berichten, sondern sie benötigen speziell bei Live-Einblendungen ja auch das Rückprogramm, um zu hören, welche Fragen der Moderator stellt und wann er damit fertig ist. Außerdem kommen da eventuell auch Schnittkommandos aus der Senderegie in Hamburg. Ich vermute, dass die Satellitenslots über Haiti gerade stark frequentiert sind, vielleicht gabs einfach nicht genug Platz zum Zeitpunkt der Einblendung. Warum dann aber eine Sat-Telefonleitung frei war, aber keine Audio-Leitung… vielleicht verschiedene Satelliten. Wie gesagt ist das eine Vermutung. Genausogut ist es möglich, dass irgendein Teil in der Übertragungstechnik nicht funktionierte oder was auch immer.

    Früher, also vor ein paar Jahren, bekam ich selbst auf dem Hörfunk-Ü-Wagen das Rückprogramm auch noch über ne Handy-Leitung – das heißt: Kurz vor der Einblendung klingelte das Handy auf dem Ü-Wagen, dann war Radio Bremen oder wer auch immer dran und die Technik hat mir den Telefon-Ton auf die Kopfhörer gelegt, während ich über Mikrofon in Studioqualität plaudern konnte.
    In modernere Ü-Wagen-Generationen kommt das Rückprogramm ebenfalls klar und deutlich an.

    Bei der Vogelgrippe auf Rügen klingelte das Handy vor vier Jahren alle fünf Minuten.
    Auf Haiti dürfte das jetzt ähnlich sein.

    Vielleicht liest hier ja ein Fernsehkollege mit, der das alles noch mal richtig erläutern kann…?

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