Mubarak-Tweets

Gerade eben erklärt Herr Mubarak, dass er einen geregelten Übergang für Ägypten möchte. Das ist wohl nicht der erwartete sofortige Rücktritt – allerdings ist das alles auch etwas schwer zu verstehen, weil der Dolmetscher auf Phoenix genau so laut ist wie Mubarak. Außerdem hat eben noch das Handy des atemlosen Übersetzers geklingelt.

Twitter-Nachrichten über Mubarak
Twitter scheint überzulaufen - zehntausende Kurznachrichten im Sekundentakt zu Mubaraks Rede, in der er nicht wie erwartet seinen sofortigen Rücktritt angekündigt hat.

Ich habe vor gut zwei Minuten mal bei Twitter nach “Mubarak” gesucht. Jetzt, gut 120 Sekunden später sind laut twitter.com schon 19.235 neue Tweets dazugekommen. Ein Ereignis bewegt die digitale Welt. Wenn es tatsächlich nicht sein eigener Rücktritt ist, über den Herr Mubarakl da jetzt gerade redet, dann kann man wohl nur recht hoffen, dass die Lage in Ägypten nicht explodiert.

Bild.de war kurz nach dem Ende der Mubarak-Rede noch nicht auf dem neuesten Stand.
Bild.de war kurz nach dem Ende der Mubarak-Rede noch nicht auf dem neuesten Stand.
tagesschau.de macht es kurz und knapp
tagesschau.de macht es kurz und knapp - rechts daneben gab es noch einen ausführlichen Newsticker (wie schon seit mehreren Tagen)
Stichprobe: Vergleichsweise besonders ausführlich in der Kürze der Zeit - die Eilmeldung auf faz.net
Stichprobe: Vergleichsweise besonders ausführlich in der Kürze der Zeit - die Eilmeldung auf faz.net

ARD-Hörfunk-Reporterin Esther Saoub berichtet gerade telefonisch auf Phoenix, dass sie die Lage in Kairo grundsätzlich nach der Rede nicht so einschätzt, dass es jetzt Ausschreitungen geben könnte. Sie hat betont, wie friedlich die Protestierenden in den vergangenen Tagen ihre Forderungen artikuliert haben.

Plünderungen

Aus Ägypten kommen seit Tagen beunruhigende und verstörende Bilder. Die Wut auf Mubarak entlädt sich in Straßenschlachten, Prügeleien – Menschen sterben, Häuser brennen. Die Schilderungen der Reporterkollegen in Kairo sind professionell und bewegend – wie ihnen inmitten dieses Revolutionschaos zumute ist, kann man wohl höchstens ahnen. Hier im Nordosten haben ich in den vergangenen Tagen schon öfter den Ausspruch gehört: “Mensch, was können wir froh sein, dass bei uns vor 21 Jahren alles friedlich abgelaufen ist – ohne Blutvergießen” (ja, auch bei einigen Montagsdemos gab es nach Volkspolizei-Einsätzen Verletzte  – aber deren Anzahl ist mit den vielen Todesopfern in Ägypten nicht zu vergleichen).

Was mich bei den Bildern aus Kairo – wie auch bei Berichten aus anderen Regionen, in denen sich Revolutionen ereignen oder die von Naturkatastrophen heimgesucht worden sind – verwundert: plötzlich gibt es Horden von Plünderern. Da ziehen marodierende Banden raubend und brandschatzend durch die Straßen. In der Tagesschau sah ich zum Beispiel einen jungen Mann, der mit einer Stehlampe unterm Arm durch die Trümmer von Ladeneinrichtungen auf einem Fußweg stapfte. Vermutlich sagt es nichts über die Not und die Unterdrückung der Menschen in Ägypten aus, dass nun einer von ihnen im größten Chaos ausgerechnet eine Stehlampe klaut – andere haben versucht, das Nationalmuseum auszuräumen oder wenigstens möglichst viel kaputt zu machen.

Was für ein Gemüt muss man haben, dass man gerade dann, wenn das eigene Volk versucht, die politischen Verhältnisse in absolutem Maße zu verändern, andere, also Mitmenschen um ihr Hab und Gut zu bringen, Angst und Schrecken zu verbreiten? Was geht in einem vor, wenn man nachts Schaufensterscheiben eintritt, Lebensmittelläden verwüstet, fremde Wohnungen heimsucht – bloß weil gerade keine Ordnungsmacht vorhanden ist? Gegen was oder für wen soll das gut sein? Warum kommt man auf die Idee, das man ausgerechnet in der Zeit der größten Not noch mehr Leid verbreitet. Und was sind das für Menschen, die Straßensperren errichten, die Türen aufbrechen, die alles klauen? Da brechen sich die niedrigsten Instinkte Bahn – oder ist das alles berechnend.

Ich bin sicher: Das hätte hier genauso passieren können. Wenn die Geschichte der Wende – möglicherweise nur durch einen dummen Zufall – hierzulande anders verlaufen wäre, dann hätte das alles 1989 hier vielleicht auch gegeben. Was für eine schreckliche Vorstellung.