Konfetti-Kompromiss

Auf einem Kindergeburtstag erscheinen ohne Konfetti zu werfen? Jetzt mal im Ernst, da wird man doch von der jungen Kernzielgruppe gesellschaftlich geächtet. “Geht ja wohl mal gar nicht”, würde man sich zuraunen und verächtlich ein paar Smarties einwerfen und sich angewidert abwenden. Dieser Schmach möchte ich heute Nachmittag gern entgehen, aber, ach: es gibt ja immer Bedenkenträger.

“Auf einem Kindergeburtstag auftauchen und Konfetti werfen? In der Wohnung? Das geht ja wohl mal gar nicht!” bedeutete mir meine Buchhändlerin- und ich konnte das Ausrufezeichen im letzten Satz regelrecht fühlen.

Diverse Szenarien wurden angedeutet, welche zusätzlichen Mühen im Haushalt die Eltern der jungen Gastgeberin auf sich nehmen müssten, sollte ich meinen perfiden Anschlagsplan tatsächlich folgenschwer und verheerend umsetzen. Vor dem inneren Auge dürften sich Bilder von qualmenden Resten zertrümmerter Einrichtungsgegenstände abgezeichnet haben, ein paar bunte umherschwebende Papierschnipsel hier und da und mittendrin die weinende Gastgeberin, die einen überhitzten Staubsauger anklagend in die Höhe reckt.

Nun gut, wie wahrscheinlich ein derartiges Szenario ist, ist unerheblich. Ohnehin gilt für Kindergeburtstage dasselbe wie für Politik: Sie sind in erster Linie Ergebnisse von Kompromissen.

Darum werde ich selbst-ver-ständ-lich alle in mich gesetzten Erwartungen erfüllen. Ich werde nachher Konfetti werfen und es gleichzeitig nicht tun. Ein wie zufällig mit bunten Kreisen bedrucktes  Blatt Papier wird dafür sorgen, dass mich niemand hinauskomplimentieren muss – und dann kann die junge Gastgeberin später selbst entscheiden, ob sie die bunten Punkte noch ausschneidet. Zeit genug wäre ja: Staubsaugen ist ja nicht nötig.

kohlhof.de-Konfetti zum Ausdrucken

Papst-Torte

Und jetzt müssen wir noch mal über den Papst reden – über den aktuellen. Der feierte heute seinen 80. Geburtstag, wie es sich für eine Heiligkeit gehört. Gratulant war – außer tausenden Katholiken – auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. Und was brachte der mit für den Geburtstagspapst? Ein Buch, ja, gut. Aber auch eine Marzipantorte aus Lübeck – eine Maßanfertigung:

Marzipantorte aus Lübeck für den Papst. Foto: Staatskanzlei Kiel

Für die Leckerschmecker unter den Lesern: Das da oben ist nicht zu verwechseln mit dem, was Laien für gewöhnlich als Marzipantorte bezeichnen. Das da oben ist wirklich eine Torte aus Marzipan. Das gemeine Fußvolk labt sich derweil für gewöhnlich an Lübecker Nusstorte (Klick).
Unten: Mürbteigboden, rote Konfitüre, Mürbteigboden. Dann: Sahne, gefüllt mit Nuss-Splittern. Das alles eingeüllt von einer Marzipandecke. Auf jedem Tortenstück ein Sahnetupf mit Walnusshälfte. Das wars, mehr nicht.
Man kann sich also mein Entsetzen vorstellen, als man mir neulich in einer selbsternannten klassischen Konditorei in Warnemünde eine so bezeichnete Lübecker Nusstorte vorsetzte, die
a) einen Schokoladenboden hatte
b) die mit Sahne ohne Nüssen daherkam
c) ohne Marmeladenschicht im Boden aufwartete
d) und oben – Achtung – mit einer Haseluss, einer Pistazie und einem Walnuss-Viertel, einem Viertel (!) verziert war.
Frechheit.

Geschenkauswahl für Timmi

Niklas Schult wird bald 7 Jahre alt – und was er zum Geburtstag bekommen soll, das kann sich jetzt schon jeder bei Karstadt in Lübeck angucken. Niklas hat dort nämlich einen Geschenketisch. So wie ganz viele andere Kinder auch. Chantal zum Beispiel. Wer ihr zum fünften Geburtstag eine Freude machen will, kann aus diversen rosa Playmobil-Packungen wählen. Auf Niklas’ Tisch fällt vor allem das Gesellschaftsspiel über die „Wilden Kerle“ auf, daneben liegen eine Gummi-Kuh und ein Gummi-Hai – so etwas kann man ja schließlich immer gebrauchen. Johanne wiederum wird in ein paar Tagen wohl auch die eine oder andere Dose Klein-Mädchen-Deodorant auspacken. „Hoch soll’n sie leben“.
Geschenketische in Kaufhäusern haben eine lange Tradition und hohen Nutzwert. Jedes Hochzeitspaar lässt schließlich irgendwo im Keller Dinge verrotten, die andere ihm zur Vermählung überreicht haben. Meistens handelt es sich dabei um Gegenstände, die das junge Paar entweder für ästhetisch fragwürdig, unpraktisch oder schlicht überflüssig hält, weil es davon gleich mehrere Exemplare bekommen hat.
Kratzige Handtücher, schwere Kristall-Schalen, quietschbunte Sofakissen zum Beispiel. Um familiäre Verstimmungen und peinliches Herumdrucksen nach bohrenden Fragen zum Verbleib von Kristallschalen und Haushaltswaren von Anfang an zu verhindern, haben Warenhaus-Chefs Geschenketische erfunden. Wobei „Tisch“ oft untertrieben ist: Auf kleinen Anrichten steht höchstens eine überschaubare Auswahl. Zum Beispiel von dem Porzellan, mit dessen Hilfe das junge Glück sich fürderhin täglich zu laben gedenkt. Daneben ein bisschen Literatur in dicken Ledereinbänden, vielleicht auch noch das eine oder andere technische Gimmick. Dies alles ist oft nicht ganz billig und außerdem wie der ganze Rest in einer langen Liste verzeichnet. Darin können Tante Lisbeth sowie Ruth und die Zwillinge – oder wie die Hochzeitsgäste alle genannt werden – eintragen, was sie so herzlich gern und aus freien Stücken dem Brautpaar schenken möchten. Das ist eigentlich ganz praktisch. Dieser Aufwand scheint dem Anlass eines auf Lebensdauer angelegten Ja-Wortes aber auch angemessen.
Welchen tieferen Nutzen Geschenketische allerdings bei Geburtstagen von Kindern im Vorschulalter haben, will sich einem nicht so recht erschließen. Wie laufen Geburtstagsfeiern von Buben und Mädchen ab, die von ihren Eltern gezwungen werden, eine Liste mit heiß begehrtem Spielzeug auszuarbeiten – und das auch noch vier Wochen vor der Feier. Ganz nebenbei: Was tun Eltern in den 28 Tagen nach Veröffentlichung der Liste bis zum Fest, um die Spannung, Ungeduld und Aufregung beim Nachwuchs auf einem für alle Seiten erträglichen Level zu halten?
Wie sieht die Einladung aus, wer bekommt überhaupt eine? „Johannes nicht, seine Eltern können nicht so gut mit der Klassenlehrerin von Anne. Nein, Timmi, keine Diskussion! Das geht nicht! Was sollen die Leute denken?!“
Wer druckt die Einladung, was schreibt man? „Annedore Pütz-Klöpfer und Gerd Klöpfer geben mit großer Freude bekannt, dass ihr Sohn Timm-Morten am drölfzigsten Septober 5 Jahre alt wird. Wir laden zum Geburtstagsbrunch ab 11 Uhr (dunkler Anzug, Smoking), u. A. w. g. bis nulften Jorz unter booking@timmi-wird-fuenf.de. Wer unserem Sohn eine Freude machen will, findet bei Karstadt einen Geschenketisch. Für Gäste von Außerhalb haben wir im Berliner Hof Suiten reserviert.“
In den Schulen dieses Landes kämpfen derweil täglich Lehrer rührselig gegen das Ego von überzüchteten Ausgeburten, Typ Froop-Mädchen und Schnappi-Kind. Deren überdrehte Attitüden werden durch Eltern, die Geschenketische für Fünfjährige für eine gute Idee halten, noch befeuert. Dabei können die lieben Kleinen noch nicht einmal das Wort Wunschzettel einigermaßen platzsparend zu Papier bringen, so dass auch Außenstehende das Gekrakel entziffern können; sie dürfen aber schon bestimmen, was andere ihnen zu geben haben.
Wir stellen uns vor, was an der mit Blumenarragements ausgestalteten, von livrierten Kellnern bestellten Festtafel passiert, wenn dem Junior am Kopfende des Tisches die Gesichtszüge entgleiten, weil er soeben ein Päckchen auswickeln musste, dessen Inhalt nicht vom Geschenketisch stammt. Wird dann im Hintergund hektisch telefoniert? „Holen Sie sofort ihren Sohn hier ab. Und sein selbstgemaltes Geburtstagsbild kann er auch gleich wieder mitnehmen!“ Wird dann das Protokoll hektisch umgestrickt, um die brodelnde Geburtstagsgesellschaft zu beruhigen? „Schicken sie sofort den Clown rein. Ist mir egal, ob der sich noch schminken muss. Da drinnen ist die Hölle los. Hier läuft alles aus dem Ruder. Der soll seine scheiß Riesenlatschen anziehen und seinen fetten Clowns-Hintern ins Esszimmer schwingen, sonst eskaliert hier alles.“
Dort im Esszimmer wird es inzwischen brenzlig für den armen Tropf, der das unheilvolle Geschenk mitgebracht hat. Böse Worte vom „Arme-Leute-Kind“ machen wispernd in der Geburtstagsgesellschaft die Runde. Das mit besten Absichten beschaffte und teuer bezahlte Kästchen mit Lego-Steinen liegt als Beweisstück A zwischen Kokos-Mango-Trüffeln und Cacaoccino-Gläsern auf der Festtafel. „Lego! Legolego!“ wiederholt der Beschenkte anklagend und mit abwehrender Armbewegung, während der Überbringer mit dünner Stimme „Aber! Aberaber!“ jammert und etwas von einem selbst gemalten Bild stammelt. Die Kellner wuseln geschäftig aber ratlos umher. Zum ersten Mal fällt ein Trinkbecher vom Tisch und zerbirst auf dem grauen Granitboden. In diesem Moment denkt der Caterer in der Küche zum ersten Mal ernsthaft darüber nach, ob es angebracht wäre, die gerade angerichtete Gumminbärchenbowle mit einem kräftigen Schuss Schampus zu versehen, um die grollende Rasselbande nachhaltig ruhig zu stellen und weiteren Tumult im Keim zu ersticken. Auftritt Clown. Mit einem beherzten „Humptata-täterräää“ betritt der Alleinunterhalter die Szene durch die Durchgangstür zum Wohnzimmer. Für einen Moment herrscht spannungsgeladene Ruhe, Bewegungen erstarren. Dann: „Ich wollte aber einen Zauberääähääähäää!“ Die letzten Silben gehen im Gegluckse und Geschlucke aus Tränen unter. Die miese Stimmung breitet sich wie ein Seuche aus. Überall Tränen, überall Geschrei. Die Party ist gekippt.
Während die Großeltern gerade vom eigens arrangierten Erwachsenen-Programm aus der Kunsthalle zurückkehren, verfrachten die ersten Mütter schon ihre verstörten Kinder in Vans und Geländewagen. Kaum jemand redet ein Wort. Väter tauschen Visitenkarten und die Nummern ihrer Anwälte. Motoren heulen auf, der Kies in der Einfahrt klackert gequält, hinten an der Straße quietschen Reifen unter rasanter Beschleunigung. Beim hastigen Aufbruch bleiben Strellson-Kindermäntel, Boss-Pullover und Oakley-Mädchen-Brillen zurück.
In Momenten wie diesen wird Eltern wie Annedore Pütz-Klöpfer und Gerd Klöpfer klar,dass sie etwas falsch gemacht haben. „Zur Einschulung machen wir das anders. Da schreiben wir in die Einladung lieber ‘Statt freundlich zugedachter Geschenke bitten wir um eine Spende an eine caritative Einrichtung’“, wird Mutter sagen, und Vater wird natürlich beipflichten: „Schöne Idee, wie wäre es mit Unicef?!“
Ja. Ganz tolle Idee.

Grinsebacke wird 24

24 Jahre sind im Falle von Computern und Rechnerleistungen im Vergleich zum Erdzeitalter etwa die Spanne vom Pleistozän bis gestern. Nur ganz selten stoßen Archäologen auf Relikte aus der Vor-Internet-Zeit, weil Speichermedien von anno-digital inzwischen zerbröselt sind oder es schlicht und einfach keine Lesegeräte mehr dafür gibt. Um so größer war die Überraschung, als irgendwelche Freaks alte Speicherbänder aus den USA analysierten. Sie fanden nach eigenen Angaben das Ur-Smiley bzw. den Ur-Smiley. Er erblickte das vermutlich fahle Licht grünstichiger, flimmernder Monochrom-Monitore heute vor 24 Jahren, am 19. September 1982 um 11:44 Uhr.

Es war diese Zeichenfolge: :-)

In einem Computer-Forum gab es eine Diskussion, die mit der Frage eingeläutet wurde, was mit Kerzen und Quecksilber in einem Fahrstuhl passiert. Im Laufe der Debatte war es dann Scott E. Fahlman von der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh, der vorschlug, nicht ganz ernst gemeinte Beiträge zu kennzeichnen. Mal abgesehen davon, dass der gute Mann einen bemerkenswerten Vornamen hat (man mächte ja fast augenblicklich Beam me up, Scotty rufen), arbeitet er immer noch als Computerwissenschaftler an der Hochschule, ist durch seinen Geniestreich aber nicht stinkreich geworden. Er hätte vielleicht zunächst ein Copyright-Smiley entwickeln sollen. Aber nein….

Und jetzt schaun wir uns mal an, was aus der simplen Folge dreier Zeichen im Laufe der Emoticon-Evolution geworden ist:

Na ja.

Das Ursprungsposting

Bericht beim WDR

Homepage des Erfinders

Wikipedia mal wieder