Angie hat angerufen

Der Schreck, der einem in die matten Glieder fährt, wenn man in höchster Eile mit dem Wagen unterwegs ist und plötzlich taucht diese Vieh vor einem auf, ist immens:
Käfer an der Autoscheibe

Grüner Passagier: Dieser Käfer jagte mir einen Schreck ein, war aber ansonsten ein angenehmer Beifahrer.

Er ist grün, der kleine Kerl, der von irgendwo her aus dem Fond des Wagens gewagt an die Windschutzscheibe sprang. “Ey!” werde ich wohl gerufen haben. Seine ansonsten pausenlos auf und ab winkenden kleinen Fühler hielten für einen kurzen Moment inne. Aber er verstand schnell – und watschelte auf seinen sechs Füßen gemächlich aus meinem Blickfeld, bevor ich die nächste Kurve erreichte. Zwar ist er nur so groß wie ein Daumennagel, aber er weckte meine nahezu ungeteilte Aufmerksamkeit, während ich von Heiligendamm nach Rostock fuhr.
Vor allem das satte Knallgrün seines behäbig im Rhythmus der Schritte wankenden Körpers faszinierte mich. “So einer gehört in die Natur, nicht in die Großstadt”, sagte ich mir und öffnete mein Fenster einen Spalt weit. Das schien ihm zu gefallen. Er setzte sich auf die Kante des Glases, steckte die Fühler in den Fahrtwind und suchte mit seinen hinteren vier Beinchen extra festen Halt.
Wir hielten an einer Ampel. Während er sozusagen kurz vor die Tür trat und außen an der Scheibe entlang lief, konnte ich seinen tadellos grünen Bauch und seine Nadeldünnen Beinchen bewundern, die in Schnabelschuhen zu stecken scheinen. Die Beinchen grün, die Füße braun, lang und spitz.
Die Ampel sprang auf Rot-Gelb, dann auf Grün. Die Warteschlange setzte sich in Bewegung. Ich glaubte, draußen an der Scheibe eine gewisse Hektik festzustellen, denn mein sechsbeiniger Fahrgast kletterte eilig wieder zurück durch den Spalt ins Innere.
Der Halt wäre für ihn doch die Gelegenheit gewesen, abzuspringen, zurück zu Frau und Kindern zu fliegen, den gnädigen Mantel des Schweigens über seinen gewagten, hals- unf fühlerbrecherischen Ausbruch aus dem Käferalltag zu breiten und in stillen Stunden sich wissend grinsend an sein Auto-Surf-Abenteuer zu erinnern.
Aber nein. Erst in Rostock stieg er aus. In der Doberaner Straße, an der Brauerei. Ich möchte eigentlich gar nicht wissen, was der zu hören kriegt, wenn er irgendwann wieder nach Hause kommt.

Darum geht es nicht im Podcast von heute. Es geht vielmehr um Gewitter, Salz auf Brot und einen überraschenden Anruf von Angela Merkel auf meinem Handy.

Autor: Christian

Der Verfasser aller Beiträge auf kohlhof.de

2 Gedanken zu „Angie hat angerufen“

  1. Vielleicht wollte dieser Käfer ja das rauschende Fußballfest in Rostock live miterleben und hat sich einfach zu oft verflogen, hinter die Scheiben, hat nicht genau auf das Kennzeichen geachtet und ist dann einfach zu spät gekommen? Oder er wollte einfach mal nach New York, raus aus dem Alltagstrott, weg von Frau und Kindern, soll ja vorkommen. Aber wahrscheinlich wird Frau Käfer nur froh sein, wenn er wieder da ist und ihm gar keine Vorwürfe machen.
    Und das mit deinem Traum könntest du doch zum Anlass nehmen, Angie zu fragen “Sagen Sie mal Frau Merkel, was wollten Sie eigentlich neulich so früh morgens von mir?” Und schwupps, schon hast du sie exclusiv im Interview. Und wie du an sie rankommst, vielleicht “Ich muss hier durch, sie hat mich schon vorm Aufstehen angerufen, ist wohl ganz wichtig …” musst du doch eigentlich wissen, warst ja schon oft genug vorm Zaun?
    Auf alle Fälle spannende Tage für dich und wer weiß, wer dieses Mal wieder ins offene Mikro irgendwelche unbeabsichtigten Äußerungen von sich gibt …

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