Song-Contest-Finale künftig wieder mit Jury

Diaspora-Voting und Nachbarschaftshilfe – mit diesen beiden Schlagwörtern haben auch in diesem Frühjahr viele Fernsehzuschauer die Ergebnisse des Eurovision Song Contest, des Grand Prix also, kritisiert. Bei der europaweiten telefonischen Abstimmung der Fernsehzuschauer empfanden manche Länder das Ergebnis als ungerecht. Die ESC-Orgainsatoren haben deshalb beschlossen: Ab dem kommenden Jahr darf wieder eine Jury aus Fachleuten mitentscheiden, welches Lied im Finale das beste war.

Es werde weiterhin eine telefonische Abstimmung der Zuschauer geben, aber auch die Jury habe ein Wörtchen mitzureden. Damit soll eine Regelung eingeführt werden, wie sie in diesem Jahr schon ähnlich im Halbfinale galt, teilte die EBU mit. Dabei konnte die Expertenrunde einen Beitrag aus jedem Halbfinale für die Endrunde nachnomieren – und zwar ein Lied, das in der Gunst der abstimmenden Zuschauer durchgefallen war. Außerdem hatte die Eurovision Broadcasting Union, die das Musikspektakel veranstaltet, die Teilnehmer der Halbfinals so zusammenzustellen versucht, dass es schwieriger sein sollte, Freundschafts-Punkte an nahestehende Länder zu vergeben. Allerdings hatten Fachleute schon oft angezweifelt, dass diese Nachbarschaftshilfe tatsächlich einen nennenswerten Effekt aufs Endergebnis hatte (weitere Mythen). Das Urteil der Jury hat in diesem Jahr der Schwedin Charlotte Pirelli zur Teilnahme im Finale verholfen. Dort landete sie allerdings auf Platz 18 von 25.

Genaue Festlegungen, welches Gewicht das Urteil der Jury haben wird und wie sie zusammengesetzt sein wird, gibt es noch nicht. Im Dezember will sich die Reference-Group der EBU, die die Regeln des Wettbewerbs ausarbeitet, wieder treffen. Die EBU-Hoffnung, die dahinter stecken dürfte, ist, dass die Teilnehmerländer, die einen großen Teil des ESC-Spaßes zahlen, nicht die Lust verlieren, weiterhin dafür Geld auszugeben. Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Spanien haben Dank ihrer Finanzkraft zwar automatisch einen Platz in jedem Finale, landen dort aber oft auf den hinteren Plätzen.

Die No Angels blieben in diesem Jahr mit gerade mal 14 Punkten gemeinsam mit Polen und Großbritannien auf dem letzten Rang. Allerdings hätte Deutschland wohl nur zwei Punkte bekommen, wenn nicht Bulgarien die beste Punktzahl an die No Angels vergeben hätte – eine der Sängerinnen hat ihre Wurzeln in Bulgarien. Auch diese zwölf Punkte waren also ein klarer Fall von Diaspora-Voting. Da haben Landsleute für ihre Sängerin gestimmt, die in der Diaspora lebt. Häufiger ist aber der Fall, dass ausländische Bevölkerungsgruppen für ihre Heimatland anrufen und so dem Teilnehmerland höhere Punktzahlen sichern könnten, obwohl jedes Land ja eigentlich nicht für sich selbst abstimmen darf. Wie auch immer. Es wäre interessant zu wissen, wie eine Jury die Darbietung der No Angels beurteilt hätte (bzw. hat, denn sozusagen zur Sicherheit beurteilt auch jetzt schon eine EBU-Jury die Darbietungen. Deren Urteil wird bislang aber nicht veröffentlicht).

Die Diskussion, ob eine parallele Entscheidung von Zuschauern und Juroren mehr Gerechtigkeit in den ESC bringt, ist eröffnet – ebenso wie die Debatte, ob das dann demokratisch ist – und ob die Abstimmungen der letzten Jahre demokratisch waren. ESC-Fachmann Jan Feddersen wertet das in seinem Blog als notwendigen Kompromiss.

Das Finale des Eurovision-Song-Contest 2009 wird am 16. Mai in Moskau stattfinden.

Autor: Christian

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