Erotik-Error

Schmidt in Shanghai. Heute: Mitfahrgelegenheiten, wieder Hühner und religiöse Missverständnisse

Wenn der Prophet Mao nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zu Mao kommen. Oder: Wenn man so merkwürdig müde ist wie ich, und Kaffee so teuer, muss man irgendwie seine Kondition verbessern. Sport soll die Lösung sein. Das nächste Aerobic-Studio ist aber weit weg, so dass ich mir ein Werbe-Prospekt schnappe und mit lässiger Jogginghose sowie Handtuch um den Hals ein Taxi rufe. Der Fahrer schaut nickend auf das Prospekt und lächelt. Er heißt Chü und braust los. Wir fahren wild in Richtung Stadtrand, bevor der abendliche Verkehr immer zäher wird wie der süße Brei im russischen Märchen. Neben einem voll Gras bepacktem Tucktuck steht ein wackeliger Hühnerlaster ohne Licht, aus dem eine kleine Frau steigt. Nichts geht mehr auf der Kreuzung und die Frau sucht nun wohl ein Taxi.

Zack – öffnet Chü die Tür – und lässt die Frau neben mir auf den Rücksitz. Das kam jetzt aber ´n bisschen plötzlich, Chü! Beide sprechen ein wenig Englisch mit mir. Die Frau fragt, ob ich schwimmen will, und ich sage, dass das ein Irrtum ist, ein Error. Sie macht aus dem Error etwas eher Intimes und sagt leise: „Ahh, Erotic Massage!“, und rückt weiter weg. Der Fahrer verwirrt mich noch mehr und plappert etwas, das klingt wie „Religion!“. Ich denke, na gut, in meiner Heimat, dem atheistischen Mecklenburg, ist für einige Sport auch Religion. Leute, ich will ja nur Laufen oder etwas, das auf nicht anrüchige Weise anstrengt, aber ich versuche mich nicht mehr dem grinsenden Fahrer zu erklären, auch nicht der Frau, die mich anschaut mit einem Blick wie: „Du Schwein!“.

Chü bremst sehr einheimisch und seine Scheinwerfer beleuchten ein blaues Gebäude. Tschüss, Chü! Ich steige aus und gehe in den Haupteingang. Fliesen überall, Na gut, Fliesen gibt es in Schwimmhallen auch, also. Mich empfängt ein Chinese mit weißer Kleidung. Vielleicht ein Tai Chi Lehrer, denke ich. Ich frage „Aerobic?“ und er nickt heftig lächelnd. Fein, meine ich und gehe weiter. Ein bunter Raum mit Teppichen. Fast alle haben Bücher in der Hand. Heben sie die, weil es keine Hanteln gibt? Mit einem Blick auf die kitschigen Bilder an den Wänden schwant mir plötzlich etwas. Ich renne raus und schaue auf den Haupteingang. Da steht es ja klar, von der Laterne beleuchtet: Suzhou Mosque – Arabic Center.

Carsten Schmidt, Freund aus Rostocker Uni-Tagen, berichtet in dieser Rubrik über seine Erlebnisse in Shanghai, wo er seit kurzem als Deutsch- und Englischlehrer arbeitet.

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