Baustelle

Die Handwerker sind da. Das ist schön, denn ich hatte selbst nicht mehr mit ihrem Erscheinen gerechnet. Ihre ersten Worte nach dem “Guten Morgen” waren allerdings: “Ach du scheiße, guck dir das ma an da.” – “Was ist denn mit dem Holz bloß los?” – “Das muss ersma alles runter”. Wer so etwas am frühen Morgen hören muss, den verlässt schnell die Zuversicht, dass die dringend nötigen Reparaturarbeiten wirklich in einem Tag erledigt sein werden.
Die Erneuerung des Hauses, in dem ich lebe, hat mir ja schon diverse Erlebnisse beschert – eines davon ist, dass ich seit ziemlich genau zwei Monaten auf einer Baustelle lebe. Am 20. Februar hatten Arbeiter begonnen, meine drei alten Dachflächenfenster durch neue zu ersetzen. Dazu musste unter anderem die Küche teilweise ausgeräumt werden. Nun gut. Am ersten Tag haben es die Herren geschafft, ein altes Fenster auszubauen und das andere halb einzusetzen. Die Folge: In meiner Küche stand nach Feierabend eine Holzleiter, die auch zwei Wochen später noch niemand zu vermissenschien. Das Müsli war aus dem Regal gefallen und hatte sich gleichmäßig auf dem Fußboden mit dem Inhalt eines zerbrochenen Konfitüreglases vermengt. Der Kollege Fensterbauer war nicht zu sehen. Er hatte, ohne einen Piep zu sagen, einfach Feierabend gemacht und war durch die Dachluke entschwunden. Ich sollte ihn vorerst nicht wieder sehen.
Dann regnete es immer durch. Es reichten aber dann drei Versuche, um das Leck provisorisch abzudichten. Endgültig könne man das nicht machen, weil das Wetter dafür zu regnerisch gewesen sei, sagte man mir.
Das glaubte ich gern. Nur, warum man denn dann überhaupt im naßkalten norddeutschen Februar Dachfenster erneuern will, das konnte mir niemand sagen. Aber es ging ja immerhin flott weiter. Keine zwei Wochen später waren auch die anderen beiden Fenster durch neue ersetzt worden. Seitdem zierten die Zimmerdecken in Bad und Küche klaffende Löcher, aus denen die Reste von Rigipsplatten rieselten, Holzwolle herausragte und Isolierplane herunterhing. Ich blickte auf eine imposante Holzbalkenkonstruktion, die als Fundament sozusagen für die neuen Fensterrahmen diente.
Jetzt, so sagte man mir damals, müssten nur noch schnell mal die Trockenbauer ran und rund um die drei Fensterhöhlen die neue Zimmerdecke bauen. Tja, und siehe da, da wurden doch Ankündigungen mal prompt umgesetzt (ich musste auch nur einen Brief an die Hausverwaltung schreiben): Jetzt, fünf Wochen später, sind also die Trockenbauer da und raunen sich gegenseitig Wortfetzen mit einer Mischung aus Abscheu und Entsetzen zu,
Muss ich erwähnen, dass die neuen Fenster etwas größer sind als die alten und deshalb die Lücken für die Luken allesamt vergrößert werden müssen?
Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass der Bauleiter Recht behalten wird: Heute wird alles fertig. Dass der sich noch mal irrt, das wäre einfach zu unwahrscheinlich…
(Beachten Sie auch die Podcast-Version… vielen Dank)

Autor: Christian

Der Verfasser aller Beiträge auf kohlhof.de

2 Gedanken zu „Baustelle“

  1. Also, sehr amüsant – für den Leser bzw. die Leserin, unglaublich für den Verfasser – und wie hält man so was aus? Und nun kommts, ich will ja auf keinen Fall irgendwie was Gehässiges sagen, nein, das liegt mir total fern, aber sag mal, sieht so vielleicht der Aufbau Ost aus? Oh, Gott, oh Gott, mich graust es. Hätte also vielleicht alles in der Hälfte der Zeit fertig sein können??? Nicht auszudenken!!! Klingt ja nach total unmotiviert, die Handwerker meine ich. Und jetzt kommts nochmal. Tröste dich, egal wo du wohnst und wer dein Vermieter ist, das kann dir überall passieren, nein, hoffentlich nicht mir hier, nächstes Jahr, wenn die angekündigte Haussanierung losgeht …

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