Kerner-Job

An die Worte von Hanns Joachim Friedrichs , das Gesicht der Tagesthemen mit der sonoren Stimme, denke ich recht oft: “Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.” Klar, wie soll man noch distanziert und unvoreingenommen über einen Autokonzern berichten können, wenn man dort ganz “besondere Konditionen” beim Kauf genossen hat. Wie kann man über Unregelmäßigkeiten bei der Lohnzahlung des besten Restaurant am Orte schreiben, wenn man dort regelmäßig ein Menü zum Preis einer Vorspeise futtern kann? Diese Themen muss man ausklammern, so regelt es das übliche redaktionelle Selbstverständnis in Deutschland. In unserer Redaktion zum Beispiel ein Reporter nicht über Vorwürfe gegen eine Firma berichten, weil deren Besitzer den Verein des Kollegen finanziell unterstützt. Klare Sache.

Für Johannes B. Kerner und Reinhold Beckmann gelten andere Regeln. Die beiden Gastgeber von Gesprächssendungen machen Werbung für private Altersvorsorge oder den Börsengang von Fluggesellschaften und laden Firmenvertreter auch noch in ihre Sendungen ein um über das Thema zu reden, für das sie selbst Werbung machen. Eine fragwürdige Praxis, die einigen Artikeln des Pressekodex’ des Deutschen Presserats widerspricht, auch wenn der Kodex die Frage nach werblichen Tätigkeiten von Journalisten nicht explizit stellt. In Artikel 15 heißt es:

Die Annahme und Gewährung von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die
Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion zu beeinträchtigen, sind mit dem
Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse unvereinbar. Wer sich für
die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten bestechen lässt, handelt
unehrenhaft und berufswidrig.

Dazu heißt es erläuternd:

Richtlinie 15.1 – Einladungen und Geschenke
Die Gefahr einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit von Verlagen und Redaktionen
sowie der unabhängigen Urteilsbildung der Journalisten besteht, wenn Redakteure und
redaktionelle Mitarbeiter Einladungen oder Geschenke annehmen, deren Wert das im
gesellschaftlichen Verkehr übliche und im Rahmen der beruflichen Tätigkeit notwendige Maß
übersteigt. Schon der Anschein, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion könne
durch Gewährung von Einladungen oder Geschenken beeinträchtigt werden, ist zu
vermeiden.
Geschenke sind wirtschaftliche und ideelle Vergünstigungen jeder Art. Die Annahme von
Werbeartikeln zum täglichen Gebrauch oder sonstiger geringwertiger Gegenstände zu
traditionellen Gelegenheiten ist unbedenklich.
Recherche und Berichterstattung dürfen durch die Vergabe oder Annahme von Geschenken,
Rabatten oder Einladungen nicht beeinflusst, behindert oder gar verhindert werden. Verlage
und Journalisten sollten darauf bestehen, dass Informationen unabhängig von der Annahme
eines Geschenks oder einer Einladung gegeben werden.

Niemand wirft den beiden TV-Männern vor, sich bestechen zu lassen. Die entscheidende Passage in diesem Zusammenhang ist aber wohl die Sorge um die Entscheidungsfreiheit der Redaktion, die durch die enege geschäftliche Bindung vom Gastgeber an seine Interviewpartner zumindest gefährdet sein dürfte. Allerdings sei hier angemerkt, dass der Presserat sich mit seinem Kodex vor allem an gedruckte Medien richtet, aber was für Zeitungen gilt, kann fürs Fernsehen ja nicht schlecht sein.

Ähnliche Ansprüche wie der Pressekodex von 1973 formuliert auch der Medienkodex des Netzwerks Recherche. In zehn Punkten stellt er Leitlinien für die journalistische Arbeit in etablierten und neuen Medienformen auf. Für Herrn Kerner und Herrn Beckmann besonders wichtig dürften Punkt 1:

Journalisten berichten unabhängig, sorgfältig, umfassend und wahrhaftig.
Sie achten die Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte.

und Punkt 5:

Journalisten machen keine PR.

sein.

Der Deutschlandfunk hat dieses Thema vor einigen Tagen kommentiert. Den Beitrag kann man sich auf dessen Internetseite anhören und lesen.