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Lettischer Hochzeits-Marathon
Wenn Sie mal was erleben wollen, ich meine, wenn Sie mal so richtig was erleben wollen: Besuchen Sie mal eine Hochzeitsfeier irgendwo im Ausland. Am besten in einem kleinen Ausland, sagen wir: Lettland. Sie werden vieles erleben, das Sie im Zusammenhang mit Eheschließungen nicht erwarten. Zum Beispiel Straßensperren.

Der Traugottesdienst war gerade beendet, alle Fotos vor dem Kirchenportal gemacht und der Auto-Konvoi mit 70 Gästen hatte sich gerade Richtung Festlokal in Bewegung gesetzt, da ging es auch schon nicht mehr weiter. Eine bunte Blumengirlande quer über der Fahrbahn und entschlossene Gesichter dahinter vereitelten zügiges Vorankommen.

So sollte sich das noch mehrfach wiederholen: Zunächst war es an den Trauzeugen, die Lage zu sondieren und den Spielraum für Verhandlungen zu ermitteln, danach war dann das Brautpaar selbst an der Reihe, in Aktion zu treten. Das alles ist irgendwo ganz tief in Lettland ein unglaublicher Spaß für Groß und Klein – und Brautpaare sind auf diese Situationen vorbereitet. Sie kaufen sich den Weg frei mit Wodka und/oder Bier aus dem Kofferraum. Zum Dank bekommen sie Kekse, Blumen oder ein Ständchen von den Wegelagerern, müssen dafür an einem Gläschen Selbstgebranntem nippen oder Nägel in dicke Holzklötze rammen. Zudem bereiten auch noch Trauzeugen und Brauteltern die eine oder andere Überraschung auf dem Weg zur Party vor. Sinn und Zweck: Je länger die Reise des Brautpaars und der Hochzeitsgesellschaft dauert, um so glücklicher und länger wird die Ehe währen. So gesehen war diese Fahrt dann wohl so eine Art Hochzeits-Marathon und damit der Auftakt zu einer ganz besonders langen und überdurchschnittlich glücklichen Ehe. „Lettischer Hochzeits-Marathon“ weiterlesen
Hering im Mantel
Eine Hochzeit in Lettland, das ist auch für diejenigen etwas Besonderes, die keine einzige Silbe der Landessprache verstehen. Es zischt und säuselt und plappert und plätschert – aber sehr herzlich und liebenswürdig. Und wenigstens das entscheidende Wort klingt auch für deutsche Ohren vertraut: “Ja!”
Aber dann hörts auch schon auf. Ist aber egal, denn wir haben am Rande Europas eine sehr bunte Hochzeit erlebt. Man sah uns im Kreis zu lettischen Volksliedern hüpfen, rosa Wasser und klaren Wordka trinken – und Hering im Mantel essen. Es handelt sich dabei um eine der vielen Leckereien aus der vielfältigen lettischen Küche. Die Braut war so freundlich, das würzige, frische Gericht für die kohlhof.de-Fotokamera noch einmal zuzubereiten. Hier ist das Rezept, für das vor allem eines unerlässlich ist: eine Raspel.
Auch die russische Küche kennt ein ähnliches Rezept. Diese lettische Variante heißt “Siltja” oder so. Ahem, hier ist jedenfalls die Zutatenliste (ohne Mengenangaben, finden Sie es einfach heraus):
- Kartoffeln, gekocht
- Zwiebeln
- Matjes-Filets
- Rote Beete
- Salz
- Öl
- Majonnaise
- Hart gekochte Eier
- Oliven
Blöde Frage
“wie sehen aus die lettland frauen” – mit dieser etwas unbeholfen formulierten Frage fand am Wochenende ein unbekannter Leser den Weg auf diese Internetseite. Doofe Frage! Gut, natürlich!
Lettland ganz hinten
Fünf Tage Lettland, das bedeutet umgerechnet 359 Fotos. Ich habe eine Auswahl getroffen. Der Bericht über die Reise in Landesinnere von Lettland ist fertig und reich bebildert hier zu finden: Lettland Backstage.
Lettland Backstage
„Wenn wir in Lettland ,Ligo’ feiern, dann regnet es. Immer!“ Ilze hat gar nicht erst versucht, uns mit falschen Versprechungen zu locken. Wer Mitsommer in Lettland feiern wolle, müsse sich auf nasses Wetter einstellen. Und auf Musik. Und Tanz. Und Baden. Und Sauna. Und schlafen dürfe man auch nicht. Aha.





Wir* waren eingeladen, das alles im Osten, ganz im Osten, 30 Kilometer vor der Grenze zu Weißrussland zu feiern. Backstage sozusagen.
Und dort, 300 Kilometer entfernt von der jung wirkenden, pulsierenden Hauptstadt, ist alles etwas anders. In Lettland gibt es sowieso schon viel Gegend. Besonders viel Gegend mit weiten Hügeln, wilden Wiesen, grünen Wäldern und auf jedem zweiten Strommast ein Storchennest gibt es in der Region Latgale.

Vereinzelt gibt es Dörfer, vor allem aber einzelne Höfe oder Wohnhäuser, wo sich grau-verwitterte Holzhäuschen um Brunnen oder Teiche drängeln.
Hier wurden wir besonders herzlich aufgenommen, umsorgt, umkocht, umhegt – und zu Waldarbeiten herangezogen. Zu unserer Unterkunft gehört auch dieser Rentner:

Ligo ist nur ein Teil der Feierlichkeiten, nach Ligo kommt das Janis-Fest, Johannes-Fest. Namenstag für alle Letten dieses Namens, die zur Feier des Tages besonders bunte Eichenlaubkronen tragen dürfen und mit selbstgebrautem, würzigem Bier auf das Wohl aller Gäste anstoßen. „Wir haben sowieso für jeden einen Namenstag“, sagt Ilze, „es gibt sogar einen Tag für alle, die keinen eigenen Namenstag haben.“
Waldarbeiten also. Weil es bei Ligo vor allem um Mutter Natur, bunten Sommer und die Hoffnung auf eine gute Ernte geht, spielt die Dekoration eine besondere Rolle.
Mädchen flechten sich bunte Kränze aus roten, weißen, gelben und blauen Blüten ins Haar. Männer scheuen sich nicht, mit einer gigantischen, wippenden Krone aus Eichenlaub die Nacht zu durchtanzen.
Zur Dekoration der Festräume dienen Birkenzweige. Äste und Eichenlaub zu besorgen war unsere Aufgabe. Man vertraute uns also ohne Einschränkungen, denn wir wurden mit einer Axt in den Wald geschickt und kamen wenig später tatsächlich schwer beladen (und von blutrünstigen Mücken geradezu durchlöchert) wieder zurück.
Gesang, Musik auf der Freilichtbühne im nächsten Ort und Lagerfeuer am Ufer des nächsten Sees bestimmten den Ligo-Abend. Es gab viel Bier.
Am nächsten Abend wurden 40 Gäste erwartet.
Selbst wenn man kein Wort Lettisch spricht, bekommt man trotzdem mit, dass etwas Besonderes in der Luft liegt. Es reicht, für eine Minute das Radio anzuschalten. “Ligo, Ligo, Latvia, lalala” dröhnt es stimmungsvoll und schmissig in allenerdenklichen Stilen von Rock bis Ska aus den Lautsprechern. Mehr Text ist oft nicht enthalten. Ligo ist eben vor allem Musik – und nicht lange Reden.

Das Janis-Fest war eine große Sause, die sich zwischen leerstehender Scheune, die als Festsaal diente und der Sauna gegenüber abspielte.

Der schilfumrahmte Teich daneben diente dann gleich als Abkühlbecken. Der Hausherr, Ilzes Vater, hatte die Sauna rechtzeitig auf Betriebstemperatur gebracht. Im dicken schwarzen Kessel tuckerte das kochende Wasser, immer wieder zischte Aufguß um Aufguß auf den heißen Steinen drumrum. In der kleinen, feuchtheißen Butze herrschte ständiges Kommen und Gehen. Saunieren gehört zu einer Feier in Lettland ganz offensichtlich zum Standard-Programm. Man achtet dabei aber streng auf die passende Kleidung. Männer in Badehose, Frauen im Badeanzug. Nackt geht bei diesen Gelegenheiten in Lettland niemand in den Dampf. Selbst am Badesee zieht sich jeder brav in der Umkleidekabine um – und keinesfalls einfach so ohne Blickschutz am Strand. Man ist da sehr genau in Lettland…
Selbstverständlich gab es andauernd etwas zu essen. Angefangen von Schwarzbrot mit kräftigem Kümmelgeschmack über Räucherfisch, kalte Suppen mit Roter Beete und Kefir angemacht und deshalb frühlingshaft rosa, Keksen bis hin zu zünftigem Saslik, Fleischspießchen vom Grill also – die ganz Nacht.
Zwischen dieser fröhlichen Völlerei, dem Aufheizen und Abkühlen fanden wir auch immer noch Zeit zum Entspannen im beheizbaren Pool, Marke Eigenbau, Platz zu nehmen:

Dieser Metalltrog heizte das Wasser auf Wohlfühltemperatur auf, und zwar durch den eingebauten Ofen – man erkennt ihn am Schornstein. Darin sitzen, ein kühles lettisches Bier in der Hand, und über einem der Sternenhimmel des Baltikums… herrlich.
Verständigt haben wir uns weitgehend auf Englisch – die meisten Letten sprechen es sehr gut. Das ist sehr touristenfreundlich. Besucher verstehen nämlich für gewöhlich nichts vom Lettischen und können sich deshalb nur höchstens hilflos lächelnd über die vielen S amüsieren, die viele auch in Westeuropa bekannte Wörter ergänzen: Bars, Restorans. Aber woher soll man bitte wissen, dass “siers” Käse heißt und woraus ableiten, das “piens” Milch bedeutet. Bei “kefirs”, na gut, da ja. Aber “Lacplesis ir labs alus” (hier ohne die typischen Häkchen und Striche an diversen Konsonanten und Vokalen), kann man nur noch mit einheimischer Hilfe deuten: “Lacplesis ist ein gutes Bier.”

So erklärte man uns im Laufe der Feier auf Englisch, dass auch wir übers Feuer hüpfen sollten, so wie diese beiden Damen da:

Auch das gehört zum zünftigen Zelebrieren in Lettland dazu. Und auch der Verzicht auf Schlaf, wenigstens in den Nächten, in denen die Sonne über Lettland nur für eine knappe Stunde hinterm Horizont verschwindet.
Am Lagerfeuer erwartete man den nächsten Morgen:

Die Einheimischen haben bis 9 Uhr durchgehalten, wir waren um 5 Uhr einfach fertig. Man bescheinigte uns aber, dass wir recht gut durchgehalten haben.
Ach so: Und geregnet hats dann doch nicht. Perfekt.
Für Riga selbst und andere Regionen Lettlands blieb kurz nach der Ankunft und kurz vor dem Abflug kaum Zeit. Ein paar Eindrücke sollen aber nicht fehlen:




* Martin Rosenplänter und ich.
Alle Fotos habe ich gemacht.
Lettisches Radio aus Latgale zum Nachhören.
Vielen Dank an Ilze und Karlis und an alle ihre Freunde und die Familie für die schöne Zeit in Lettland!
Ligo ohne Regen
Soeben komme ich von einem sehr schönen Kurzurlaub nach Lettland zurück. Dort wird Ende Juni das Ligo-Fest gefeiert, das ohne Pause ins Janis-Fest übergeht. Freundschaften aus Studienzeiten haben dafür gesorgt, dass ich bei dieser bunten, fröhlichen, nächtelangen Feierei in diesem Jahr dabei sein durfte – und gleichzeitig Lettland sozusagen backstage kennenlernen konnte.
Stimmungsvolle Mittsommernacht. Die kleine Hütte mit dem warmen Licht im Innern und dem Apfelbaum vor der Tür war unsere Sauna. An jenem Abend ging es noch ruhig zu – ein Tag später war alles voller feiernder Letten. Dazu später mehr.
Man sah mich unter anderem Eichenlaub- umkränzt „Ligo ohne Regen“ weiterlesen