Wassermelonen-Wahnsinn

Das Angebot war verlockend: Wassermelone, für 79 Cent das Kilo. Da greift man doch schnell mal zu … und fragt sich auf dem Weg zur Kasse: Woher hat Rewe eigentlich die Wassermelonen her, jetzt, Anfang März? Schnell zurück zum Obstregal und siehe da: “Herkunftsland Brasilien” steht auf der Preistafel.
Von Schwerin nach Brasilia sind es gut 9600 Kilometer Luftlinie.
Da hat also einer ein Schiff oder Flugzeug voll Melonen geladen, um sie um die halbe Welt zu schaffen und dann hier zu verhökern. Und kann man die dann ruhigen Gewissens kaufen? Kann ja jemand anders machen…

Blaubeer-Wahnsinn

Blaubeeren mit Zimtpulver in Milch
Manchmal reichen ein paar Blaubeeren, ein bisschen Zimt und Milch - und man ist ein zufriedener Mensch.

Sehen Sie das? Wie sich das Zimtpulver sanft auf die knackige königsblaue Samthaut der Blaubeeren gelegt hat? Und wie sich die Heidebeeren geradezu lasziv in der Vollmilch räkeln, geradezu plantschen, baden, zu schweben scheinen wie junges Gemüse? Sehen Sie es? Sehen Sie… ;-)

 

Pfirsiche und Verbraucherschutz

Erst freut man sich über die persönliche Entdeckung des Jahres: Weinberg-Pfirsiche. Und plötzlich denkt man über Verbraucherschutz nach.

Wer wird da widersprechen? Das Obst des Jahres 2011 ist – meiner unmaßgeblichen Meinung nach – eindeutig: Der Weinberg-Pfirsich! Ein unscheinbares Stück Frucht, das auf den ersten Blick den Eindruck erweckt, irgendjemand habe vergessen, es aufzupumpen. Nicht rund wie seine standardisierten Kollegen, sondern flach gedrückt wie in einer Schraubzwinge, handflächengroß und etwa so hoch wie eine Frikadelle – allerdings mit viel ansprechenderem samtig-rotem, gelb-sanftem Äußeren und zartem, weißgelbem Fruchtfleisch. Dabei so saftig und süß, wie man das ja heute eigentlich gar nicht mehr erwartet. Ein Sommer-Highlight.

Eine rasche Suche im Netz nach eben jenen Pfirsich-Vertretern führt zunächst und erstaunlicherweise: ins Leere. Onkel Google weiß nichts von Weinberg-Pfirsichen. Aber im Wikipedia-Eintrag findet sich immerhin ein Foto von Plattpfirsichen.

Da ist man platt: Pfirsiche schmecken auch als Fladen - vielleicht sogar ein bisschen besser als die runden... Fotoquelle: Wikipedia, User Daum

Warum gibt es keine Treffer? Vielleicht, weil die wohlschmeckenden Pfirsiche das Produkt irgendwelcher Obstmultis sind, die die Früchte im großen Stil und möglichst billig unter unobstlichen Bedingungen reifen lassen? Man sollte sich vielleicht lieber keiner Illusion hingeben und davon ausgehen, dass das flache Steinobst irgendwo auf Industrieplantagen erst gezüchtet und dann von riesigen Roboterarmen zusammengestaucht wird. Danach wird es dann verladen und in Pfirsich-Massen-Transporten von Spanien durch ganz Europa kutschiert. Irgendwelche Supermarktketten drücken dann die Preise, Pfirsich-Magnaten reiben sich die Hände – und während sie feist grinsend ihr Geld zählen, das sie mit wehrlosen flachen Pfirsichen verdient haben, zeigt ihre dicke qualmende Zigarre steil nach oben…

Ja, so ist das möglicherweise. Man liest ja so viel – und vielleicht ja auch ab morgen auf dem Verbraucherportal lebensmittelklarheit.de. Hier wollen die Verbraucherzentralen Lebensmittel-Mogelpackungen öffentlich anprangern. Stichwort: Welcher Käse ist gar kein Käse, welcher Erdbeerjoghurt enthält nicht mal einen Hauch Erdbeere? Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz fördert das Projekt.

Mittwoch um 11 Uhr soll das Projekt vorgestellt werden und dann auch online gehen. Noch heißt es auf der Internetseite:

Verbraucher können Produkte melden, durch deren Aufmachung oder Kennzeichnung sie sich getäuscht oder in die Irre geführt fühlen. Die Verbraucherzentrale leitet einen Dialog mit dem Hersteller oder Händler ein: Dieser kann dann zu den Vorwürfen Stellung beziehen.

Eine Redaktion will jeden sachdienlichen Hinweis vor Veröffentlichung prüfen.

Trotzdem: Da kochen die Emotionen natürlich hoch. Die Online-Ausgabe der Zeitschrift “Werben&Verkaufen” zitiert den Geschäftsführer der Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) mit den Worten:  “Der Ansatz der Verbraucherzentrale scheint zu sein, dass die gesetzlichen Regelungen falsch sind, weil der Verbraucher das anders empfindet, als es die Unternehmen deklarieren. Das ist nicht in Ordnung.” Schließlich hielten sich Unternehmen bei der Verwendung von Zutaten und Gestaltung von Produkten an Recht und Gesetz heißt es im Text. Und wenn sich dann noch Verbraucher getäuscht fühlten, könne man dafür doch nicht die Unternehmen verantwortlich machen. Außerdem: Schließlich hätten doch viele Unternehmen eine eigene Kundenhotline – und auch der Deutsche Werberat habe schließlich eine Stelle, die Beschwerden über vermeintlich irreführende Werbung bearbeitet. Im selben Artikel sagt Matthias Horst  vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL): “Niemand darf einen Nachteil erleiden, der sich an geltendes Recht und damit an die Regeln hält.” Das stimmt natürlich. Allerdings könnte man auch so formulieren: “Niemand darf einen Nachteil erleiden, der beim Anblick von Brombeeren auf einer Teepackung erwartet, dass auch hauptsächlich Brombeerpflanzen-Teile im Teebeutel liegen – und nicht irgendwas anderes… bloß keine Brombeeren.”

Fruchtbar

Sie brauchen Obst, für Marmeladen, Konfitüren und vor allem: für umsonst? Mundraub.org bietet einen Kartenservice für freigegebene Bäume und Sträucher.

Statistik-Nachtrag vom Wochenende: Wir haben am Sonntag vier Kilo Brombeeren gepflückt. Das entspricht in etwa zwei Stunden Gehangel und Gezupfe an dornenbewährten Büschen mit regelmäßigem Verheddern an Zweigen und Blättern. Das alles hat sich natürlich gelohnt. Die Marmeladeurin meines besonderen Vertrauens will daraus diverse Konfitüren-Kreationen komponieren, die wiederum schon bald eigene und befreundete Frühstückstafeln bereichern werden.

Und da fällt mir ein Link ein zu einer Seite, die ich gern selbst auf die Beine gestellt hätte. Im vergangenen Jahr habe ich mir die Domain openobst.de gesichert, weil ich die Idee hatte, eine Landkarte zu erstellen, auf der im Internet jeder eintragen und nachsehen kann, wo welches frei zugängliche Obst wächst. An Landstraßen, auf Industriebrachen, auf Wiesen und an Waldrändern reift schließlich jedes Jahr tonnenweise frisches Obst heran, das doch nur darauf zu warten scheint, dass es jemand erntet. Himbeeren, Pflaumen, Birnen, alte Apfelsorten, Nüsse purzeln irgendwann reif zu Boden, dabei hätte man doch so schöne Delikatessen daraus herstellen können. So schwebte mir eine Google-Maps-Anwendung vor, auf der kleine bunte Markierungen mit kleinen Obstpiktogrammen kennzeichnen, wo welche Frucht zu finden ist, wie sie schmeckt, wie man rankommt – und an wen man sich notfalls wenden muss, bevor man beherzt die Äste plündert. Denn genau das ist ein entscheidender Punkt: Herrenloses Obst gibt es nicht. Alleebäume gehören Kommunen und selbst das verwlidertste Grundstück hat einen Eigentümer. Insofern müsste also sichergestellt sein, dass jedermann das Obst auch ernten darf, was weltweit online in der Obst-Karte angezeigt wird. Also am besten, die Baum- und Strauch-Besitzer inserieren ihre “Plantagen” selbst. Tja, irgendwann müsste ich das mal alles klären und in die Tat umsetzen, diese fruchtbare Idee…

Das haben jetzt andere getan – und eine wirklich schnuckelige Internetplattform aufgesetzt: mundraub.org. Eigentlich genau so, wie ich mir das vorgestellt habe. Keine Frage: ich finde die Idee toll – und ich finde es super, dass sie jemand eingerichtet hat. Hier kann man sogar nach verschiedenen Kategorien suchen: Obst, Beeren, Kräutern und Nüssen. Pilze sind tabu. Die Webseite fordert ihre Nutzer außerdem auf, schonend mit den Bäumen und den Ressourcen umzugehen. Zudem warnt sie auch davor, Früchte zu ernten, wenn auch nur ansatzweise unklar ist, ob die Besitzer von Bäumen und Sträuchern damit einverstanden sind. Den Initiatoren schwebt für die Zukunft ein Kennzeichnungssystem für freigegebene Frucht-Oasen vor: Zum Beispiel Banderolen, die – so lautet eine Idee – auch durch Werbung, etwa vom Hofcafé um die Ecke, finanziert werden können.

Rostock, ein Obst-Ballungsgebiet - zumindest laut mundraub.org

Mal sehen, welche Region derzeit mit mehr Obst-Meldungen vertreten ist, Schwerin oder Rostock – Die Hansestadt und ihr Umland durchzieht ein Streifen frei zugänglicher Früchte (laut mundraub.org) von Warnemünde bis nach Schwaan – ein gelbes Symbol zeigt zum Beispiel an: Am Ortseingang nach Mistorf soll es 18 wunderschöne Birnenbäume geben. Insgesamt sind gut 20 Obst-Vorkommen, dazu zwei Nuss-Einträge (Esskastanien), elf Beeren-Sichtungen (Holunder, Brombeeren und Sanddorn) und null Kräutervorkommen zwischen Strand und Autobahn 20 verzeichnet.

Obst-Notstand rund um Schwerin - wiederum laut mundraub.org

Tja, und Schwerin, die Landeshauptstadt? Im Kartenausschnitt gleicher Größe findet sich genau ein Hinweis auf Apfelbäume in Bad Kleinen.

Um es zuversichtlich zu formulieren: Ein Anfang ist gemacht. Punkt für Rostock! Vielleicht liegt die höhere Zahl der Einträge ja darin begründet, dass besonders viele jüngere Internet- und Obst-affine Menschen in der Hansestadt leben – aber das ist Küchensoziologie… was ja dann wiederum irgendwie passt. Ist ja auch Banane… im knallharten Städtevergleich jedenfalls steht es nunmehr:

Rostock : Schwerin – 4 : 7

Eine Frage allerdings wird sich so mancher stellen, der einen erwähnenswerten Apfel- oder Birnenbaum zum Beispiel empfehlen könnte, weil dort ganz besondere Früchte wachsen: “Soll ich das Geheimnis vom besten Obstbaum der Welt wirklich preisgeben?” Aber meistens wächst an einem Baum ja mehr, als ein Mundräuber allein jemals verarbeiten könnte.

Bislang ist mundraub.org eine fast nur auf Deutschland beschränkte Karte. Allerdings wird sie jetzt international. Auch mitten in Finnland steckt inzwischen eine rote Markierung: Für einen Apfelbaum.

Obst des Monats

Fürs Protokoll: Das Obst des Monats sind eindeutig Pfirsiche. Samtige Haut, Geruch, saftiges Fruchtfleich und vor allem Geschmack und frisch sind eindeutig am besten geeignet,einenmit den Unbillen des Alltags zu versöhnen. Tolles Obst.