Wenn man sich in der allerhöchsten Hochsaison zu einem spontanen Kurzurlaub auf Deutschlands größter Insel entschließt, dann muss man damit rechnen, kein Quartier mehr zu bekommen – dachten wir jedenfalls. Und tatsächlich: Die zentrale Buchungsseite im Internet hatte gerade noch eine einzige Unterkunft im Angebot, als wir am Tag unseres Aufbruchs Richtung Insel online nachsahen. Auch die telefonische Buchungsanfrage brachte dasselbe Ergebnis: In einem Bungalow-Dorf auf der Halbinsel Ummanz war noch ein Häuschen frei. Das bucht man natürlich, auch wenn es 108 Euro pro Nacht kostet.
Wie sich später herausstellen sollte, kann man auch in der Hochsaison auf blauen Dunst nach Rügen reisen – wir haben noch ein paar „Zimmer frei“-Schilder entdeckt: in kleineren Orten abseits der Hauptverbindungsstraßen auf der Insel und in entlegenen Ecken Rügens.Wenigstens mussten wir uns nicht mehr mit der Quartiersuche abgeben, sondern konnten gleich die Insel erkunden. Drei Tage hatten wir uns vorgenommen – und die haben wir hauptsächlich auf der Halbinsel Mönchgut verbracht. Wie nicht anders zu erwarten, waren die Strände, zum Beispiel zwischen Lobbe und Thiessow, dicht bevölkert. Ohne Strandmuschel lässt man sich dort ja heutzutage gar nicht mehr blicken – trotzdem liegt man dicht an dicht, was keine neue Erkenntnis ist. Aber als Küstenmensch ist man ja nicht automatisch auch ein Strandmensch – ich jedenfalls halte die Ferienenge zwischen Brandungszone und Dünen für wenig erholunsgfördernd.
Wo begibt man sich also hin, wenn alle anderen am Strand sind? In einen kleinen, abgeschiedenen Ort seiner Wahl. In Alt-Reddevitz gibt’s ein Fischlokal in einer mächtigen Scheune – wenn man dort unter großen Sonnenschirmen auf der Terrasse sitzt und in absoluter Ruhe den Schwalben beim Tschilpen, den entfernten Welle beim Plätschern und einigen Treckern bei der Strohernte zuhört… dann kann man entspannen. Dazu leckerste Scholle – sehr schön.
Und man kann sogar wandern, zur Strandburg, einer Zweigstelle des Restaurants, ein paar Hügel weiter auf einer der kleinen Landzungen, die zusammen das Mönchgut bilden (das früher einmal zum Kloster Eldena gehörte und daher seinen Namen hat).
Ab und zu trifft man ein paar andere Urlauber, läuft vorbei an windschiefen Fichten und Obstbäumen, entspannt wiederkäuenden Rindviechern und sieht auf jeden Fall immer irgendwo vor, hinter oder neben sich die Ostsee in Form von Meer, Bodden oder Hafen.
Abends kann man sich dann auch mal in eines der Ostseebäder begeben, nach Sellin etwa. Die Abendstimmung auf der Wilhelmstraße, die bergan zur Seebrücke führt, ist einerseits mondän, vermittelt aber andererseits auch eine lockere Gelassenheit – das ist wohl die Aura, die die vielen Urlauber versprühen.
Das Mönchgut ist nicht nur bei sonnigem Wetter als Ausflugsziel geeignet. Es ist auch bei Regen und Sturm ein lohnenswertes Ziel – und geradezu zu empfehlen, auch aus folgendem Grund: Sobald sich nämlich graue Wolken über Rügen ballen, erfasst die Urlauber aus Ost und West eine Art Herdentrieb.
Sie folgen wohl einer Art Urinstinkt, der sie dazu veranlasst, in einem Rudel geschlossen das Eiland zu verlassen. Wahrscheinlich wird beim Frühstück auf Zeltplätzen, in Pensionen und an Hotel-Buffets kollektiv beschlossen: „Heute schauen wir uns Stralsund an, das Ozeaneum und so – denn das Wetter ist ja heute nicht schön.“ Und dann staksen sie alle wie Zombis auf Urlaub im Gleichschritt zu ihren Autos und reihen sich ein in eine schier endlose Kolonne, die von Kap Arkona über alle Hauptstraßen der Insel bis zur Rügenbrücke reicht, während die Motoren ein Stralsund-Mantra brummen. Wir haben uns die Hansestadt zuvor schon bei Sonnenschein angesehen, sie ist auch dann sehr sehenswert. Insofern ist die Einschätzung der Urlaubermasse, Stralsund sollte man sich am besten während eines Unwetters ansehen, wenn man gemeinsam panisch von der Insel flüchtet, natürlich falsch. Einerseits. Andererseits ist es natürlich sehr freundlich, für einen Tag die Insel zu verlassen – für all die, die sich dem Druck der Masse entziehen können und auf Rügen bleiben. Für diese Standhaften wird dadurch ein geradezu paradiesischer Tag auf der Insel möglich. Das Mönchgut ist dann noch ein bisschen ruhiger, die Servicekräfte in Cafes und Restaurants teilweise doch ein bisschen entspannter und überhaupt. Immerhin gibt es ja auch jede Menge Museen, Geschäfte und Attraktionen auf Rügen, deren Besuch sich auch bei durchwachsenem Wetter lohnt.
Das gilt natürlich nur in eingeschränktem Maße für die Aufführungen der Störtebeker-Festspiele auf der Naturbühne Ralswiek. Wir hatten Glück und waren mit 8000 anderen Zuschauern an einem lauen Sommerabend dort. 2009 war die Story eher dünn, 2010 ist die Fortsetzung von „Störtebekers Gold“, die Episode „der Fluch des Mauren“ spannender und tiefgründiger gelungen, auch wenn weiterhin Freunde von kitschigen Liebesmomenten auf ihre Kosten kommen. Dazwischen rummst, poltert und klirrt es zünftig – man empfindet das Warten aufs allabendliche Abschlussfeuerwerk also 2010 nicht als allzu große Zumutung.
Rügen ist also auch im Sommer einen Kurzurlaub wert – jetzt freuen wir uns auf den Winter, dann wollen wir noch mal hin – und werden rechtzeitig buchen.
Hallo,
der Jahreswechsel war super.
Schaut doch mal 2011 auf 2012 vorbei.
LG,
Mario