Bär mit Migrationshintergrund

Nach Rütli jetzt also Teddy: Nachdem die Debatte um Fehler in der bundesdeutschen Integrationspolitik gerade wieder auf ein sachliches Maß zurückzugehen scheint, sorgt der Zuzug eines namenlosen Braunbären über die grüne Grenze nach Deutschland für neue Diskussionen – wenn auch auf einem ganz anderen Niveau. Meister Petz kam aus Italien über Österreich in die Bundesrepublik, wo er in den vergangenen Tagen vor allem durch marodierendes Verwüsten von Stallungen, durch die Dezimierung von Zuchtschaf-Beständen und die Plünderung eines Bienenstocks aufgefallen ist. Kurz: Er hat das getant, was Bären nun mal tun.

Zwar haben Einwohner der Europäischen Union das Recht auf freie Wahl des Wohnortes, doch für Vierbeiner, die nach Ansicht von Experten untypische Verhaltensweise an den Tag legen, gilt das nicht – obwohl der Braunbär ganz offensichtlich der erste seiner Art ist, der nach 170 Jahren nach Deutschland gekommen ist. Aber das Tier scheint wenig Scheu vor Menschen zu haben, das mache ihn gefährlich, warnen Experten. So hat nun also mit schriftlicher Genehmigung des bayerischen Umweltministers die Suche und Jagd nach dem Tier begonnen, das sich bislang meisterlich vor seinen Häschern im Dickicht verborgen hält.

Inzwischen debattiert das Land also darüber, wie mit dem Raubtier, das politisch korrekt wohl als Raubtier mit Migrationshintergrund bezeichnet werden müsste, umzugehen sei. Die Meinungen reichen von “so schnell wie möglich abschießen” bis “betäuben und in ein Gehege bringen”. Beide Varianten sind schwierig und auf ihre Art gefährlich. Was also tun? Abschießen oder einfangen? Vielleicht hat der Bär schon geahnt, dass Bayern für ihn eine No-Go-Area ist und sich in über die Grenze in Sicherheit gebracht – von wegen: die Welt zu Gast bei Freunden. Herr Heye hatte mit seiner erschütternden Warnung wohl doch Recht…

Kerner-Job

An die Worte von Hanns Joachim Friedrichs , das Gesicht der Tagesthemen mit der sonoren Stimme, denke ich recht oft: “Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.” Klar, wie soll man noch distanziert und unvoreingenommen über einen Autokonzern berichten können, wenn man dort ganz “besondere Konditionen” beim Kauf genossen hat. Wie kann man über Unregelmäßigkeiten bei der Lohnzahlung des besten Restaurant am Orte schreiben, wenn man dort regelmäßig ein Menü zum Preis einer Vorspeise futtern kann? Diese Themen muss man ausklammern, so regelt es das übliche redaktionelle Selbstverständnis in Deutschland. In unserer Redaktion zum Beispiel ein Reporter nicht über Vorwürfe gegen eine Firma berichten, weil deren Besitzer den Verein des Kollegen finanziell unterstützt. Klare Sache.

Für Johannes B. Kerner und Reinhold Beckmann gelten andere Regeln. Die beiden Gastgeber von Gesprächssendungen machen Werbung für private Altersvorsorge oder den Börsengang von Fluggesellschaften und laden Firmenvertreter auch noch in ihre Sendungen ein um über das Thema zu reden, für das sie selbst Werbung machen. Eine fragwürdige Praxis, die einigen Artikeln des Pressekodex’ des Deutschen Presserats widerspricht, auch wenn der Kodex die Frage nach werblichen Tätigkeiten von Journalisten nicht explizit stellt. In Artikel 15 heißt es:

Die Annahme und Gewährung von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die
Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion zu beeinträchtigen, sind mit dem
Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse unvereinbar. Wer sich für
die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten bestechen lässt, handelt
unehrenhaft und berufswidrig.

Dazu heißt es erläuternd:

Richtlinie 15.1 – Einladungen und Geschenke
Die Gefahr einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit von Verlagen und Redaktionen
sowie der unabhängigen Urteilsbildung der Journalisten besteht, wenn Redakteure und
redaktionelle Mitarbeiter Einladungen oder Geschenke annehmen, deren Wert das im
gesellschaftlichen Verkehr übliche und im Rahmen der beruflichen Tätigkeit notwendige Maß
übersteigt. Schon der Anschein, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion könne
durch Gewährung von Einladungen oder Geschenken beeinträchtigt werden, ist zu
vermeiden.
Geschenke sind wirtschaftliche und ideelle Vergünstigungen jeder Art. Die Annahme von
Werbeartikeln zum täglichen Gebrauch oder sonstiger geringwertiger Gegenstände zu
traditionellen Gelegenheiten ist unbedenklich.
Recherche und Berichterstattung dürfen durch die Vergabe oder Annahme von Geschenken,
Rabatten oder Einladungen nicht beeinflusst, behindert oder gar verhindert werden. Verlage
und Journalisten sollten darauf bestehen, dass Informationen unabhängig von der Annahme
eines Geschenks oder einer Einladung gegeben werden.

Niemand wirft den beiden TV-Männern vor, sich bestechen zu lassen. Die entscheidende Passage in diesem Zusammenhang ist aber wohl die Sorge um die Entscheidungsfreiheit der Redaktion, die durch die enege geschäftliche Bindung vom Gastgeber an seine Interviewpartner zumindest gefährdet sein dürfte. Allerdings sei hier angemerkt, dass der Presserat sich mit seinem Kodex vor allem an gedruckte Medien richtet, aber was für Zeitungen gilt, kann fürs Fernsehen ja nicht schlecht sein.

Ähnliche Ansprüche wie der Pressekodex von 1973 formuliert auch der Medienkodex des Netzwerks Recherche. In zehn Punkten stellt er Leitlinien für die journalistische Arbeit in etablierten und neuen Medienformen auf. Für Herrn Kerner und Herrn Beckmann besonders wichtig dürften Punkt 1:

Journalisten berichten unabhängig, sorgfältig, umfassend und wahrhaftig.
Sie achten die Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte.

und Punkt 5:

Journalisten machen keine PR.

sein.

Der Deutschlandfunk hat dieses Thema vor einigen Tagen kommentiert. Den Beitrag kann man sich auf dessen Internetseite anhören und lesen.

Spitzel-mäßig

Der Bundesnachrichtendienst BND hat großen Aufwand betrieben, Journalisten auszuspionieren. Dabei wurden Medienberichten zufolge auch Kollegen aufeinander angesetzt – dies alles zu dem Zweck, undichte Stellen im Auslandsgeheimdienst der Bundesrepublik ausfindig zu machen. Zeitungen, Radio und Fernsehen haben in den vergangenen Tagen aus verständlicher Empörung ausführlich darüber berichtet.
Die Bundesregierung hat dem Geheimdienst ja inzwischen untersagt, Redakteure zu überwachen – da halten sich die Schlapphüte ganz bestimmt dran…
Der Karikaturist Tomicek – einer der besten seiner Zunft – hat das Thema schon mehrfach zum Gegenstand seiner Zeichnungen gemacht. Die wohl beste ist diese hier.

Bloß nicht das Haus verkaufen

Heute ist ein toller Tag für Blogger. Es passiert so viel Belangloses, über das man der Welt was erzählen kann. So war ich heute in der bequemen Situation, in Warnemünde ein Eis zu kaufen. Über der Theke direkt am Alten Strom prangt dieses Schild:

Außerhausverkauf

Wie gut, dass ich bloß zwei Eiskugeln haben wollte und mir der Sinn nicht gerade nach dem Erwerb von Gebäuden und Eigenheimen stand. In meiner Erleichterung, dass ich von dieser Beschränkung nicht betroffen war, habe ich ganz vergessen zu fragen, was man denn in der Diele noch alles erstehen kann außer Häusern: Tarnkappen-Schnellboote, Kartoffeln zum Einkellern, Sitzgruppen – vielleicht ist ja wenigstens Mieten oder Pachten von Gebäuden möglich? Wer weiß, was die Eisverkäufer schon alles erlebt haben mit ihren Kunden. Bestimmt gibt es irgendwo eine Statistik, wie oft pro Tag Eisdielenmitarbeiter durchschnittlich gefragt werden, ob sie auch Häuser oder gar das Haus, in dem sie gerade stehen, veräußern würden. Wir Kunden machen uns wahrscheinlich gar keine Vorstellung, wie nervig, störend und ermüdend diese dauernde Fragerei sein kann.

Ich muss wohl noch mal hinfahren, um das alles zu klären; und weil das Eis recht lecker war – und das ist ja die Hauptsache.

face of horror

Gemeinhin möchte man annehmen, dass der Beruf des Taxifahrers höchstens ein Quentchen Abwechslung bietet – zum Beispiel, weil man immer wieder andere Leute zu bislang unbekannten Straßen bringen kann. Das sind die normalen Tage. Und dann gibt es diese Tage, an denen man irgendwo in einer Empfangshalle auf den Fahrgast wartet, zu dessen Transport man beordert wurde – und wenig später findet man sich in einer Live-Sendung der BBC im Fernsehen wieder, wird für einen Internetexperten gehalten, der was zu einem Rechtsstreit sagen soll… und dann macht man ein ziemlich lustiges Gesicht. Die “Mail on Sunday”, die darüber berichtet, nennt das “face of horror”.
Da fällt einem sofort der “falsche Manfred Kock” ein, der einst über 4 Minuten lang im Radio interviewt worden ist.

Hintergründige Wirtschaft

Rente, Tarifverträge, Hedgefonds, öffentlliche Haushalte, steuerliche Absetzbarkeit – Über- und Einblicke ins westliche Wirtschaftsgeschehen gibt ein neues Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung, das hier einzusehen ist.

Das digitale Dorf

“Kleinbloggersdorf” nennen Blogautoren das lose System von Verlinkungen zwischen ihren Internettagebüchern, mit dessen Hilfe sie sich gegenseitig ihre Internetseiten vollschreiben. Ich bin weit davon entfernt, mich zur deutschen Bloggerszene zu zählen, ich habe gar keine Zeit dafür – und außerdem sind mir die Inhalte oft viel zu belanglos, wohl aber unterhaltsam. So gab es bislang hier auch nur einen Link auf “Hanne goes british“, das episodenhafte Tagebuch einer Kommilitonin irgendwo da draußen. In der hier bereits erwähnten Webseitenstatistik ist auch abzulesen, von welcher Internetseite die Besucher auf meine Seite kommen. Und da tauchen seit ein paar Tagen immer wieder Hinweise auf florissantville auf. Und was soll ich sagen – dort gibt es tatsächlich einen Artikel, der auf einen Beitrag auf kohlhof.de verweist. Spätestens jetzt bin ich also Teil des Systems, ich häng mit drin.

1.125.899.906.842.624

Ja, diese Zahl hat 16 Stellen, das sind also eine Billiarde und ein paar Zerquetschte… Bytes in diesem Fall. So viele Daten hat die Way-Back-Maschine, das digitale Internet-Archiv schon gespeichert. Auch diese wundervolle Seite hat schon auf diese Internetseite hingewiesen. Da sich niemand diese Zahl merken kann und sie ja außerdem ständig weiter wächst, gibt es natürlich eine Sammelbezeichnung dafür:1.125.899.906.842.624 Bytes sind nämlich ein PetaByte. Und das sind 1.024 TeraByte, damit man sich das überhaupt mal vorstellen kann, nech? Da ist man auch auf der eigenen Seite, bei den Internetarchivaren sehr stolz drauf und beschreibt die Datenmenge so:

The Internet Archive Wayback Machine contains approximately 1 petabyte of data and is currently growing at a rate of 20 terabytes per month. This eclipses the amount of text contained in the world’s largest libraries, including the Library of Congress. If you tried to place the entire contents of the archive onto floppy disks (we don’t recommend this!) and laid them end to end, it would stretch from New York, past Los Angeles, and halfway to Hawaii.

Das ist doch mal ein schönes Beispiel aus der Praxis. Die älteste Variante von kohlhof.de, die dort gespeichert ist, datiert übrigens auf den 17. November 2001.

Mängelexemplar

Beim Supermarkt meiner Wahl auf dem Grabbeltisch: Bücher. Fachbücher und Romane. Unter den Taschenbüchern auch ein Werk von Edmund Stoiber, darauf ein großer Stempel: “Mängelexemplar”… War ja irgendwie klar.