Molli 1988

Es ist eine Frage des Der und Die. Je nachdem, wer was sagt, daran kann man erkennen, ob sich jemand auskennt in der Region rund um Rostock. Die Dampf-Schmalspurbahn von Bad Doberan nach Kühlungsborn heißt schließlich “der Molli”, nicht “die”. Die heute privatisierte, 15,4 Kilometer lange Strecke mit Dampfloks und historischen Salonwagen war schon zu DDR-Zeiten eine Attraktion, wie dieser 20 Jahre alte Film zeigt.

Es ist in der Tat ein Erlebnis, mit dem Zug mitten durch Bad Doberan zu fahren – auch, weil es diese antiken Papp-Fahrkarten gibt. Und während man da so entlang fährt, kann man ja an “die Molly” denken, an die mit Y am Ende: das ist die Lokomotive von Jim Knopf.

Raps gut, Radfahrer doof

Aus Küche und Bad sind zur Zeit immer wieder Flüche zu hören. Die Herren, die dort seit knapp drei Stunden werkeln, stellen dabei immer wieder Zusammenhänge zwischen Balken, Kollegen und Fäkalien her. Nicht schön, aber wenns der Sache dient…
Das ist doch die Gelegenheit, noch einmal aufs Wochenende zurückzublicken. Über meinen Ü-Wagen-Einsatz in Heiligendamm beim “Zaunspaziergang” der Globalisierungskritiker möchte ich gar nicht groß berichten. Ich hatte mit langem und kurzem Sammel genug zu tun.
Deshalb nun etwas vollkommen Anderes:
In Mecklenburg-Vorpommern blüht bereits der Raps:
Rapsblüte bei Admannshagen

Aus dem Auto schnell abgelichtet: Der Raps blüht, typische Farbe für Mecklenburg-Vorpommern im Frühjahr.

Ob es mit dem voranschreitenden Frühling zu tun hat, dass die Radfahrer durchdrehen, kann an dieser Stelle nicht bewiesen werden. Diese beiden Herren haben aber alles dafür getan, dass Autofahrer Pedalritter nachhaltig verfluchen:
Ignorante Rennradler

Suchbild: Wo sind die Fehler? – Richtig, es gibt einen Radweg (rechts, für viel Geld gebaut), die beiden Radspezies fahren aber nebeneinander auf der Straße – und das auch noch in der Kurve. Aber das war noch nicht alles…

Zwischen Bad Doberan und Heiligendamm verläuft eine Landstraße ohne den kleinsten Hauch einer Steigung durch die erblühende Natur. Dort lässt es sich wunderbar cruisen (wenn nicht gerade irgendwer Sitzblockaden probt). Die beiden Herren in ihren windschnittigen Sportleibchen wollten da nicht fehlen und starteten zu einer Radtour ins Grüne. Weil Mecklenburg ja wahlweise Urlaubsland, Kinderland, Gesundheitsland, Überhaupttollland sein will, darf an touristisch bedeutsdsamen Strecken ein Radweg natürlich nicht fehlen. Für ganz viel Geld hat das Land deshalb eine extra Spur für Radler asphaltieren lassen.
Nur darf man sich fragen, ob vielleicht manche Sättel zu hart sind, dass die daraus entstehenden Strapazen speziell für männliche Radler eventuell zu viel sind – und deshalb für logische Schlussfolgerungen keine Gelegenheit mehr bleibt. Es ist jedenfalls nicht klar, warum diese beiden Experten trotz vergoldeter Radwege die Straße benutzen. Und das auch noch nebeneinander. Halten die sich für Speedy Gonzalez?
Jedenfalls fühlten sie sich im Recht. Denn (was die Kamera nicht festhalten konnte) ihr Selbstbewusstsein ist jedenfalls ausgeprägt: Das Auto vor mir war laut hupend hinter den beiden hergefahren (sicherlich auch nicht sehr nett). Der Herr im windschlüpfrigen kleinen Schwarzen antwortete mit einem langanhaltend ausgestreckten Mittelfinger. Ja, so sind sie, die Radfahrer, immer im Recht, immer unterdrückt, immer in Gefahr. Mann, mann.
Und dann noch dies: Der Sicherheitszaun um Heiligendamm, die Polizei nennt ihn “technische Sprerre” sieht in etwa so aus:
Sicherheitszaun um Heiligendamm, die technische Sperre der Polizei

Der Sicherheitszaun rund um Heiligendamm: 12 Kilometer lang, 2,50 Meter hoch. Nach dem G8-Gipfel soll er wieder abgebaut werden. Gegen das Bauwerk richteten sich auch die Proteste am Wochenende.

Weltweit

Normalerweise geht das so: Ich stell die Fragen… auf Deutsch. Heute wars mal anders. Ich musste antworten… auf Englisch. Weil die Stadtvertreter von Bad Doberan heute offiziell und nachträglich Adolf Hitler die Ehrenbürgerwürde aberkennen wollten (was sie auch einstimmig getan haben), war ich plötzlich Interview-Partner für den World-Service der BBC.
Die Kollegen aus London wollten wissen, warum es bis zum Jahr 2007 dauerte, bis in Bad Doberan jemand auf die Idee kommt, mal darüber abzustimmen, Herrn Hitler die Ehrenbürgerrechte abzuerkennen.
Das Interview lief am Abend.
Screenshot der BBC-Website mit meinem Namen

BBC-World-Service Website. Dort war mein Interview auch kurze Zeit online zu hören.

Nun ist es ja nicht so, dass ich auch mal auf Englisch träume oder Harry Potter im Original genieße. Ich hatte also meine liebe Mühe mit Begriffen wie honory citizenship, allied control council und so weiter (vor allem was die Verbindung dieser und anderer Wörter zu einem sinnvollen, nachvollziehbaren und zeitlich passendem Ganzen angeht). Die BBC-Leute haben aus meinem Englisch for Runaways 2:30 gemacht. Immerhin.
Zum Fall Adolf Hitler jetzt noch schnell eine vereinfacht dargestellte eilige Zusammenfassung ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Im August 1932 hat es eine Beschlussvorlage in Bad Doberan gegeben, eingereicht von der NSDAP, die damals die Mehrheit hatte. Inhalt: Hitler soll Ehrenbürger der Stadt werden (die er ja angeblich auch so toll gefunden hat). Der Beschluss selbst ist im Archiv nicht zu finden, es kann aber aufgrund anderer Quellen als gesichert gelten, dass Hitler Bad Doberans Ehrenbürger wurde. Das ist damals in viele Städten passiert. Bad Doberan war aber die erste deutsche Kreisstadt, die das entschied.
Aufgehoben wurde dieser Beschluss bislang nicht. Viele westdeutsche Städte taten das von sich aus nach dem Krieg, einige aber auch erst sehr spät. In Ostdeutschland gab es solche Entscheidungen an vielen Orten nicht, weil man sich nicht als Rechtsnachfolger des Nazireichs sah. Das geschah erst nach der Wende. Rostock zum Beispiel fasste einen entsprechenden Beschluss 1992.
In Bad Doberan tat man das nicht. Argument heute: Die Ehrenbürgerschaft endet bei jedem automatisch mit dessen Tod. Das gilt als allgemein richtig unter Juristen. In Bad Doberan hat man es also nicht für nötig befunden, Nazi-Diktator und Menschenfeind Hitler die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen. Nicht, weil man das nicht für geboten erachtete, sondern einfach, weil man dachte, das sei automatisch geschehen. Auf den symbolischen Akt, diese Entscheidung zurückzunehmen, verzichtete man. Bis jetzt.
Kritiker des G8-Gipfels in Heiligendamm, der Ortsteil gehört zu Bad Doberan, brachten das Thema in die Medien und wieder auf die Tagesordnung. Die Folge: Riesendebatten und Medientrubel aus aller Welt in der Kreisstadt. Die Stadtvertreter und der Bürgermeister reagierten schnell, brachten einen fraktionsübergreifenden Antrag auf den Weg – und mit dessen Hilfe wurde der Ehrenbürgerbeschluss von 1932 aufgehoben. Einstimmig, fast 62 Jahre nach dem Ende des Nazi-Regimes.

Das ist Dienstag früh auch Thema bei ndr info.

BBC-World-Service ist das Auslandsprogramm der BBC, es wird in 33 Sprachen produziert und ist mit seinen verschiedenen Diensten nahezu weltweit zu empfangen. Es ist vergleichbar mit der Deutschen Welle.

Lauter falsche Pferde

Aktuell

Auf der Rennbahn in Bad Doberan trifft sich die internationale Pferde-Elite zum Ostseemeeting.

Ostseemeeting 01

An vier Wettkampftagen gehen Jockeys auf hochgezüchteten Rennpferden an den Start. Und das ist auch ein gesellschaftliches Ereignis, auf dem wir nicht fehlen wollten. Zu diesem Behufe – und weil Damen mit angemessenem Kopfputz freien Eintritt haben am Ladies-Day – trugen wir einen orangenen Hut mit Margeriten-Girlande und frischem Buschgrün (wobei wir uns die Aufgabe ebenso angemessen teilten: Mandy trug ihn, ich bewunderte ihn). Was die Damen in Ascott können, da legen die Mecklenburgerinnen gerne noch ein paar Kohlen auf. Die Gäule waren Nebensache, als die besten Hutmodelle prämiert wurden. Mein Favorit war dieser hier rechts:

Ostseemeeting 04

Die Dame trägt einen grün dominierten Kopfputz der den rasenden Reporter der Sesamstraße bei einer offensichtlich äußerst erfolgreichen Gartenarbeit zeigt (kein Wunder bei den grünen Daumen): Kermit turnt hier waghalsig aber sicher mit einer Gießkanne, aus der Plastikwasser sprudelt, über eine bunte, saftige Plastikblumenwiese. Applaus, Applaus, Applaaaaaus! Ganz klar ein Favorit für einen der ersten drei Plätze beim Hüte-Contest. Es sollte nicht die einzige falsche Prognose bleiben an diesem mlauen Sommerabend.

Denn: Es hat leider nur für Platz 6 gereicht. Die Jury war der Meinung, dass dieses rosa Geschwurbel…

Ostseemeeting 06

… irgendwie besser sei. Der dicke Mann aus dem Fernsehen hat das auch wortreich begründet und der glücklichen Hutträgerin Silbergeschmeide überreicht. Aber die Doberaner Froschkönigin hat immerhin noch einen Wellnessgutschein bekommen.

Diese Frau mit leichter Schräglage kam auf Platz drei. Sie hatte zuweilen doch einige Mühe, ein Ensemble aus hölzernen Schiffsmodellen ebenso grazil wie selbstverständlich und unbeschwert über das Grün zu balancieren. Vier Kuttermodelle haben doch schon ein beachtliches Gewicht.

Ostseemeeting 03

Wie bitte, ach so, ja, die Pferde. Um es kurz zu machen:

Ostseemeeting Start

Die Hatz der Hengste und die Sprints der Stuten über bis zu 2900 Meter waren ja ganz nett. Wir hätten wohl noch mehr Gefallen daran gefunden, wenn wir zwischendurch auch mal richtig getippt hätten, wer denn wohl in welcher Reihenfolge ins Ziel hineinzutapern gedenkt. Zwar gibt es per Lautsprecher Tipps von Experten, aber auch die irren sich gerne Mal, wie wir nunmehr in unseren Portemonnaies nachfühlen können. Es ist so einfach, sein Geld zu verjubeln: Einfach in irgendwas investieren, wovon man keine Ahnung hat, am besten noch auf den Rat von Experten hören, die man noch nicht einmal zu Gesicht bekommt und dann das System verfluchen. Unserer unmaßgeblichen Meinung nach sind vor allem falsche Pferde an den Start gegangen, denn auf genau diese Zossen un Rappen haben wir mit traumwandlerischer Sicherheit gesetzt.

Aber Spaß gemacht hats trotzdem. Allerdings ist das Pferdewetten wohl tatsächlich eine Wissenschaft für sich. Es ist fast wie der Aktienboom vor ein paar Jahren. Man macht ein paar Striche auf den Wettscheinen, zahlt Kleckerbeträge von zwei Euro – und sieht das Geld nie wieder. Nach 20 Euro war Schluss – wir können eben jederzeit aufhören, wenn die Wettkassen schließen. Mit unserem Geld kauft sich jetzt einer dieser Schnösel aus dem VIP-Zelt was Kleines: Peanuts wahrscheinlich.