Papst-Torte

Und jetzt müssen wir noch mal über den Papst reden – über den aktuellen. Der feierte heute seinen 80. Geburtstag, wie es sich für eine Heiligkeit gehört. Gratulant war – außer tausenden Katholiken – auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. Und was brachte der mit für den Geburtstagspapst? Ein Buch, ja, gut. Aber auch eine Marzipantorte aus Lübeck – eine Maßanfertigung:

Marzipantorte aus Lübeck für den Papst. Foto: Staatskanzlei Kiel

Für die Leckerschmecker unter den Lesern: Das da oben ist nicht zu verwechseln mit dem, was Laien für gewöhnlich als Marzipantorte bezeichnen. Das da oben ist wirklich eine Torte aus Marzipan. Das gemeine Fußvolk labt sich derweil für gewöhnlich an Lübecker Nusstorte (Klick).
Unten: Mürbteigboden, rote Konfitüre, Mürbteigboden. Dann: Sahne, gefüllt mit Nuss-Splittern. Das alles eingeüllt von einer Marzipandecke. Auf jedem Tortenstück ein Sahnetupf mit Walnusshälfte. Das wars, mehr nicht.
Man kann sich also mein Entsetzen vorstellen, als man mir neulich in einer selbsternannten klassischen Konditorei in Warnemünde eine so bezeichnete Lübecker Nusstorte vorsetzte, die
a) einen Schokoladenboden hatte
b) die mit Sahne ohne Nüssen daherkam
c) ohne Marmeladenschicht im Boden aufwartete
d) und oben – Achtung – mit einer Haseluss, einer Pistazie und einem Walnuss-Viertel, einem Viertel (!) verziert war.
Frechheit.

Nachrichtengeschäft

Es gibt Ereignisse, die bringen selbst gestandene Reporter an ihre emotionalen Grenzen. Oliver Kalkofe hat das in seinem Beirtag recht zutreffend auf den Punkt gebracht. Ein Film aus der Reihe “Was Reporter denken, während das Nachrichtengeschäft brutal nach neuen Infos giert”.

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Geschenkauswahl für Timmi

Niklas Schult wird bald 7 Jahre alt – und was er zum Geburtstag bekommen soll, das kann sich jetzt schon jeder bei Karstadt in Lübeck angucken. Niklas hat dort nämlich einen Geschenketisch. So wie ganz viele andere Kinder auch. Chantal zum Beispiel. Wer ihr zum fünften Geburtstag eine Freude machen will, kann aus diversen rosa Playmobil-Packungen wählen. Auf Niklas’ Tisch fällt vor allem das Gesellschaftsspiel über die „Wilden Kerle“ auf, daneben liegen eine Gummi-Kuh und ein Gummi-Hai – so etwas kann man ja schließlich immer gebrauchen. Johanne wiederum wird in ein paar Tagen wohl auch die eine oder andere Dose Klein-Mädchen-Deodorant auspacken. „Hoch soll’n sie leben“.
Geschenketische in Kaufhäusern haben eine lange Tradition und hohen Nutzwert. Jedes Hochzeitspaar lässt schließlich irgendwo im Keller Dinge verrotten, die andere ihm zur Vermählung überreicht haben. Meistens handelt es sich dabei um Gegenstände, die das junge Paar entweder für ästhetisch fragwürdig, unpraktisch oder schlicht überflüssig hält, weil es davon gleich mehrere Exemplare bekommen hat.
Kratzige Handtücher, schwere Kristall-Schalen, quietschbunte Sofakissen zum Beispiel. Um familiäre Verstimmungen und peinliches Herumdrucksen nach bohrenden Fragen zum Verbleib von Kristallschalen und Haushaltswaren von Anfang an zu verhindern, haben Warenhaus-Chefs Geschenketische erfunden. Wobei „Tisch“ oft untertrieben ist: Auf kleinen Anrichten steht höchstens eine überschaubare Auswahl. Zum Beispiel von dem Porzellan, mit dessen Hilfe das junge Glück sich fürderhin täglich zu laben gedenkt. Daneben ein bisschen Literatur in dicken Ledereinbänden, vielleicht auch noch das eine oder andere technische Gimmick. Dies alles ist oft nicht ganz billig und außerdem wie der ganze Rest in einer langen Liste verzeichnet. Darin können Tante Lisbeth sowie Ruth und die Zwillinge – oder wie die Hochzeitsgäste alle genannt werden – eintragen, was sie so herzlich gern und aus freien Stücken dem Brautpaar schenken möchten. Das ist eigentlich ganz praktisch. Dieser Aufwand scheint dem Anlass eines auf Lebensdauer angelegten Ja-Wortes aber auch angemessen.
Welchen tieferen Nutzen Geschenketische allerdings bei Geburtstagen von Kindern im Vorschulalter haben, will sich einem nicht so recht erschließen. Wie laufen Geburtstagsfeiern von Buben und Mädchen ab, die von ihren Eltern gezwungen werden, eine Liste mit heiß begehrtem Spielzeug auszuarbeiten – und das auch noch vier Wochen vor der Feier. Ganz nebenbei: Was tun Eltern in den 28 Tagen nach Veröffentlichung der Liste bis zum Fest, um die Spannung, Ungeduld und Aufregung beim Nachwuchs auf einem für alle Seiten erträglichen Level zu halten?
Wie sieht die Einladung aus, wer bekommt überhaupt eine? „Johannes nicht, seine Eltern können nicht so gut mit der Klassenlehrerin von Anne. Nein, Timmi, keine Diskussion! Das geht nicht! Was sollen die Leute denken?!“
Wer druckt die Einladung, was schreibt man? „Annedore Pütz-Klöpfer und Gerd Klöpfer geben mit großer Freude bekannt, dass ihr Sohn Timm-Morten am drölfzigsten Septober 5 Jahre alt wird. Wir laden zum Geburtstagsbrunch ab 11 Uhr (dunkler Anzug, Smoking), u. A. w. g. bis nulften Jorz unter booking@timmi-wird-fuenf.de. Wer unserem Sohn eine Freude machen will, findet bei Karstadt einen Geschenketisch. Für Gäste von Außerhalb haben wir im Berliner Hof Suiten reserviert.“
In den Schulen dieses Landes kämpfen derweil täglich Lehrer rührselig gegen das Ego von überzüchteten Ausgeburten, Typ Froop-Mädchen und Schnappi-Kind. Deren überdrehte Attitüden werden durch Eltern, die Geschenketische für Fünfjährige für eine gute Idee halten, noch befeuert. Dabei können die lieben Kleinen noch nicht einmal das Wort Wunschzettel einigermaßen platzsparend zu Papier bringen, so dass auch Außenstehende das Gekrakel entziffern können; sie dürfen aber schon bestimmen, was andere ihnen zu geben haben.
Wir stellen uns vor, was an der mit Blumenarragements ausgestalteten, von livrierten Kellnern bestellten Festtafel passiert, wenn dem Junior am Kopfende des Tisches die Gesichtszüge entgleiten, weil er soeben ein Päckchen auswickeln musste, dessen Inhalt nicht vom Geschenketisch stammt. Wird dann im Hintergund hektisch telefoniert? „Holen Sie sofort ihren Sohn hier ab. Und sein selbstgemaltes Geburtstagsbild kann er auch gleich wieder mitnehmen!“ Wird dann das Protokoll hektisch umgestrickt, um die brodelnde Geburtstagsgesellschaft zu beruhigen? „Schicken sie sofort den Clown rein. Ist mir egal, ob der sich noch schminken muss. Da drinnen ist die Hölle los. Hier läuft alles aus dem Ruder. Der soll seine scheiß Riesenlatschen anziehen und seinen fetten Clowns-Hintern ins Esszimmer schwingen, sonst eskaliert hier alles.“
Dort im Esszimmer wird es inzwischen brenzlig für den armen Tropf, der das unheilvolle Geschenk mitgebracht hat. Böse Worte vom „Arme-Leute-Kind“ machen wispernd in der Geburtstagsgesellschaft die Runde. Das mit besten Absichten beschaffte und teuer bezahlte Kästchen mit Lego-Steinen liegt als Beweisstück A zwischen Kokos-Mango-Trüffeln und Cacaoccino-Gläsern auf der Festtafel. „Lego! Legolego!“ wiederholt der Beschenkte anklagend und mit abwehrender Armbewegung, während der Überbringer mit dünner Stimme „Aber! Aberaber!“ jammert und etwas von einem selbst gemalten Bild stammelt. Die Kellner wuseln geschäftig aber ratlos umher. Zum ersten Mal fällt ein Trinkbecher vom Tisch und zerbirst auf dem grauen Granitboden. In diesem Moment denkt der Caterer in der Küche zum ersten Mal ernsthaft darüber nach, ob es angebracht wäre, die gerade angerichtete Gumminbärchenbowle mit einem kräftigen Schuss Schampus zu versehen, um die grollende Rasselbande nachhaltig ruhig zu stellen und weiteren Tumult im Keim zu ersticken. Auftritt Clown. Mit einem beherzten „Humptata-täterräää“ betritt der Alleinunterhalter die Szene durch die Durchgangstür zum Wohnzimmer. Für einen Moment herrscht spannungsgeladene Ruhe, Bewegungen erstarren. Dann: „Ich wollte aber einen Zauberääähääähäää!“ Die letzten Silben gehen im Gegluckse und Geschlucke aus Tränen unter. Die miese Stimmung breitet sich wie ein Seuche aus. Überall Tränen, überall Geschrei. Die Party ist gekippt.
Während die Großeltern gerade vom eigens arrangierten Erwachsenen-Programm aus der Kunsthalle zurückkehren, verfrachten die ersten Mütter schon ihre verstörten Kinder in Vans und Geländewagen. Kaum jemand redet ein Wort. Väter tauschen Visitenkarten und die Nummern ihrer Anwälte. Motoren heulen auf, der Kies in der Einfahrt klackert gequält, hinten an der Straße quietschen Reifen unter rasanter Beschleunigung. Beim hastigen Aufbruch bleiben Strellson-Kindermäntel, Boss-Pullover und Oakley-Mädchen-Brillen zurück.
In Momenten wie diesen wird Eltern wie Annedore Pütz-Klöpfer und Gerd Klöpfer klar,dass sie etwas falsch gemacht haben. „Zur Einschulung machen wir das anders. Da schreiben wir in die Einladung lieber ‘Statt freundlich zugedachter Geschenke bitten wir um eine Spende an eine caritative Einrichtung’“, wird Mutter sagen, und Vater wird natürlich beipflichten: „Schöne Idee, wie wäre es mit Unicef?!“
Ja. Ganz tolle Idee.

Osterhase: Existenz bewiesen

Von dem Tag an, an dem der Osterhase beschloss, Jahr für Jahr mildtätig durch die Lande zu ziehen, traten auch schon die ersten Zweifler auf den Plan. Diese Personen leugnen nicht nur die Existenz des Osterhasen, nein, manche stellen auch noch seine lauteren Motive in Frage.
Aber ich nicht. Ich habe Beweise. Für alles. Seit Jahrzehnten schon.

Es wird an einem Frühlingstag Anfang der 80er Jahre gewesen sein, als ich in einem bilanzierenden Gespräch über den zu Ende gehenden Tag mit meinen Eltern die Lage erörterte. Da es gerade auf die höchsten christlichen Feiertage zuging, kamen wir auch auf deren populärste Randerscheinung, den Osterhasen, zu sprechen. Jahr für Jahr hatte ich es bislang hingenommen, dass Meister Lampe schöne bunte Dinge in unserer Altbauwohnung im dritten Stock an mehr oder minder leicht einsehbaren Stellen deponierte.
Sozusagen nebenbei warf ich nun ein paar Fragen auf, die meine Eltern zunächst verdächtig unauffällig zu überhören versuchten. Folgende Dinge waren mir unklar:
1.)Der Osterhase kam bislang immer nachts, wenn wir unsere Wohnungstür für gewöhnlich fest verschlossen hielten. Wie kam er in die Wohnung?
2.)Wenn er nicht die Tür benutzte, kam er dann über den Balkon? Im dritten Stock? Etwa an der Regenrinne hoch?
3.)Wenn sich die Nestersuche am folgenden Morgen als besonders langwierig herausstellte, wussten entweder Mutter oder Vater urplötzlich mit Hinweisen aufzuwarten, mit deren Hilfe man die Suche auf ein Zimmer, ein Möbelteil, ja manchmal sogar eine spezielle Schranktür einschränken konnte. Täterwissen?
„Und warum haben wir ihn noch nie gehört?“ setzte ich noch eins drauf. „Na, der Hase ist doch Profi. Er hat ganz weiche Pfoten. Hier liegt Teppich. Da kann so einer gar keinen Krach machen, selbst wenn er wollte“, werden meine Eltern wohl sinngemäß entgegnet habe. Und überhaupt, ein Fenster in der Wohnung sei ja immer angekippt, für so einen Hasen reiche so ein Spalt doch allemal um hineinzuschlüpfen. Außerdem werde er im Laufe der Jahre sicherlich beachtenswerte Fähigkeiten im Fassadenklettern entwickelt haben.
Das schien sehr überzeugend zu sein und geeignet, vom wohl größten Bluff der Weltgeschichte abzulenken. Aber die letzte Gewissheit fehlte noch. Es fehlte noch der alles entscheidende Beweis, um die Mär vom spendierfreudigen Hasen als ganz groß und von ganz oben inszenierten Lug und Betrug zu entlarven. Ich legte die Stirn grimmig in Falten und plante weitere Recherchen. Irgendwas Investigatives sollte es sein.
Meine Eltern brachten mich von sich aus auf die Idee, den Osterhasen mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Denn: Woran kann kein Rammler vorbeihoppeln? Richtig, Karotten! „Wir legen einfach eine Möhre auf den kleinen weißen Tisch… und dann können wir nur noch warten“,sagte meine Mutter und mein Vater fügte hinzu, so als sei der Existenz-Beweis schon längst erbracht: „Außerdem findet der Osterhase es bestimmt sehr nett, wenn wir ihm etwas zur Stärkung hinlegen.“ Was für ein perfekter Plan!
Wenig später lag ein Holzbrett samt liebevoll geputzter Möhre auf dem kleinen weißen Tisch, liebevoll dekoriert mit ein bisschen Petersilie. Die Nacht brach herein und mir wurden die Augen schwer. Draußen zwitscherten noch ein paar Vögel, der Mond zog auf und besah milde lächelnd die friedliche Welt, der Wind legte sich – und dann kehrte Ruhe ein. Ich schlummerte inzwischen tief und fest, obwohl ich ja eigentlich wach bleiben wollte – nun ja, egal…
Der nächste Morgen. Was soll ich sagen: Die Möhre war noch da – aber nicht ganz. Sie war angeknabbert! Die Hälfte fehlte. Es fehlte ein Stück der Möhre! Am abgenagten Rest: eindeutige Spuren von Hasenzähnen (dies hatte ein schneller Vergleich mit den Abbildungen in meinem Nachschlagewerk „die Hasenschule“ ergeben)!
„Es gibt ihn wirklich!“ hauchte ich einigermaßen fassungslos und betrachtete voll Ehrfurcht den Karottenrest. Innerlich geißelte ich mich schon: Wie hatte ich bloß zweifeln können, was hatte ich getan? Plötzlich zuckten neue Zweifel durch mein junges Hirn: „Wieso hat er denn die Möhre nicht ganz aufgefuttert?“ „Er wird es wohl eilig gehabt haben“, antwortete man mir achselzuckend. Ja, so wird es wohl gewesen sein. Mir jedenfalls hat das gereicht, ich war bedient – und ich hatte ja sogar zwei Zeugen. Seitdem hatte ich nie wieder einen Grund, ernsthaft am Osterhasen zu zweifeln.

Weltweit

Normalerweise geht das so: Ich stell die Fragen… auf Deutsch. Heute wars mal anders. Ich musste antworten… auf Englisch. Weil die Stadtvertreter von Bad Doberan heute offiziell und nachträglich Adolf Hitler die Ehrenbürgerwürde aberkennen wollten (was sie auch einstimmig getan haben), war ich plötzlich Interview-Partner für den World-Service der BBC.
Die Kollegen aus London wollten wissen, warum es bis zum Jahr 2007 dauerte, bis in Bad Doberan jemand auf die Idee kommt, mal darüber abzustimmen, Herrn Hitler die Ehrenbürgerrechte abzuerkennen.
Das Interview lief am Abend.
Screenshot der BBC-Website mit meinem Namen

BBC-World-Service Website. Dort war mein Interview auch kurze Zeit online zu hören.

Nun ist es ja nicht so, dass ich auch mal auf Englisch träume oder Harry Potter im Original genieße. Ich hatte also meine liebe Mühe mit Begriffen wie honory citizenship, allied control council und so weiter (vor allem was die Verbindung dieser und anderer Wörter zu einem sinnvollen, nachvollziehbaren und zeitlich passendem Ganzen angeht). Die BBC-Leute haben aus meinem Englisch for Runaways 2:30 gemacht. Immerhin.
Zum Fall Adolf Hitler jetzt noch schnell eine vereinfacht dargestellte eilige Zusammenfassung ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Im August 1932 hat es eine Beschlussvorlage in Bad Doberan gegeben, eingereicht von der NSDAP, die damals die Mehrheit hatte. Inhalt: Hitler soll Ehrenbürger der Stadt werden (die er ja angeblich auch so toll gefunden hat). Der Beschluss selbst ist im Archiv nicht zu finden, es kann aber aufgrund anderer Quellen als gesichert gelten, dass Hitler Bad Doberans Ehrenbürger wurde. Das ist damals in viele Städten passiert. Bad Doberan war aber die erste deutsche Kreisstadt, die das entschied.
Aufgehoben wurde dieser Beschluss bislang nicht. Viele westdeutsche Städte taten das von sich aus nach dem Krieg, einige aber auch erst sehr spät. In Ostdeutschland gab es solche Entscheidungen an vielen Orten nicht, weil man sich nicht als Rechtsnachfolger des Nazireichs sah. Das geschah erst nach der Wende. Rostock zum Beispiel fasste einen entsprechenden Beschluss 1992.
In Bad Doberan tat man das nicht. Argument heute: Die Ehrenbürgerschaft endet bei jedem automatisch mit dessen Tod. Das gilt als allgemein richtig unter Juristen. In Bad Doberan hat man es also nicht für nötig befunden, Nazi-Diktator und Menschenfeind Hitler die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen. Nicht, weil man das nicht für geboten erachtete, sondern einfach, weil man dachte, das sei automatisch geschehen. Auf den symbolischen Akt, diese Entscheidung zurückzunehmen, verzichtete man. Bis jetzt.
Kritiker des G8-Gipfels in Heiligendamm, der Ortsteil gehört zu Bad Doberan, brachten das Thema in die Medien und wieder auf die Tagesordnung. Die Folge: Riesendebatten und Medientrubel aus aller Welt in der Kreisstadt. Die Stadtvertreter und der Bürgermeister reagierten schnell, brachten einen fraktionsübergreifenden Antrag auf den Weg – und mit dessen Hilfe wurde der Ehrenbürgerbeschluss von 1932 aufgehoben. Einstimmig, fast 62 Jahre nach dem Ende des Nazi-Regimes.

Das ist Dienstag früh auch Thema bei ndr info.

BBC-World-Service ist das Auslandsprogramm der BBC, es wird in 33 Sprachen produziert und ist mit seinen verschiedenen Diensten nahezu weltweit zu empfangen. Es ist vergleichbar mit der Deutschen Welle.

Milch gibts in der Service-Wüste

In Bäckereien oder besser: Verkaufsstellen für Teigbackwaren erlebe ich immer mal wieder dolle Dinge. Manchmal rege ich mich dort aber auch herzhaft auf. Vor allem dann, wenn ich für viel Geld, für das es an anderer Stelle nahezu komplette Mittagsmenüs gibt, koffeinhaltige Trend-Heißgetränke kaufe. Im roten Becher schäumen Kaffee-Mix, Sahnetupf und Nuss-Aroma vor sich hin – und dann leiern die Tanten hinter der Theke immer wieder denselben Satz herunter: “Zucker und Deckel finden Sie an unserer Service-Station”.
Wer jetzt erwartet, dass im Nebenraum die Mitarbeiterin der Woche wartet, die in weißem Schürzchen, hübsch zurecht gemacht, mit einem zauberhaften Sahnelächeln, mit silbernen Kännchen und umflort von einem dezenten süßen Duft sich anschickt, die eben abgefüllte Kaffee-Kreation durch das Verabreichen erlesener Ingredienzien zu verfeinern, um auf diese Weise der Mär von der Service-Wüste Deutschland eine Abfuhr zu erteilen, der wird… enttäuscht.
Die vielfach gepriesene Service-Station ist ein Verhau aus lieblos zusammengezimmerten Furnierholz-Brettern mit Fächern für Rohzucker (braun), Deckel (klein) und Deckel (mittel, groß). Das alles ist mit leicht verrutschten Klebebuchstaben beschriftet und von diversen Kunden schon mit klebrigem Karamel-Cappuccino bekleckert worden.
Das ist dann also der so genannte Service. So weit ist es inzwischen, dass man für den Kundendienst selber sorgen muss. Ich verstehe ja, dass es für Service-Kräfte schwer abzuschätzen ist, ob und wie viel Rohrzucker (braun) sich jeder einzelne Kaffeetrinker denn in seinen Becher streuen lassen möchte – beim Zwist um die richtige Menge würde sicherlich unnötig oft geflucht. Ich bin auch gern bereit, weiterhin selbst zusätzliche Zutaten in mein Heißgetränk einzurühren, ich kann, will und werde das allein tun.
Ich verwahre mich nur mit dem gebotenen Ernst und dem dazu passenden Nachdruck gegen die bodenlose Frechheit, einen Haufen Zuckertüten und nen Napf Milch als Service-Station hinnehmen zu müssen.
Ich hatte kurz überlegt, dem Unternehmen, das diesen menschenverachtenden Euphemismus zu verantworten hat, eine Mail zu schreiben. All meinen koffeingepeitschten Hass hätte in die paar Zeilen hineingehackt. Ich habe den Plan schnell wieder aufgegeben. Wahrscheinlich haben die in Ihrer Beschwerdeabteilung auch bloß so eine Art Service-Station: “Ausreden und Ausflüchte, Verweise auf allgemeine Unternehmensentscheidungen und eine Portion ausdrückliches Bedauern für unser Antwortschreiben an Sie entnehmen Sie bitte unsrer Textbaustein-Station.”
Schönen Dank auch.

Schnauzbart online

… und dann sei noch darauf hingewiesen, dass der Kollege r. nebenan sämtlichen Personen in seinen Titelgrafiken einen Handball-Weltmeister-Schnauzbart verpasst hat.
Da.

Anne will und soll

Die ARD-Intendanten haben entschieden, dass Tagesthemen-Moderatorin Anne Will ab dem Spätherbst am Sonntag-Abend eine Talkshow mit politischen Themen im Ersten moderieren wird. Die 40-Jährige folgt Sabine Christiansen.
Anne Will kündigte an «eine aktuelle, gesellschaftspolitische Gesprächsrunde anzubieten, die Themen aufgreift, aber auch eigene Themen setzt». Das ist nötig, damit die Politik-Talkshow ihr Image als Debattier-Club zum Austausch bekannter Allgemeinplätze verliert.
Anne Will wird die Tagesthemen ab Herbst nicht mehr moderieren, sie präsentiert das Nachrichten-Magazin seit Juni 2001.
Bleibt die Frage, wer Anne Will im Nachrichten-Studio beerben wird: Gabi Bauer vielleicht?