Jaha, bin noch da!

Hier ist nichts los. Ich weiß das. Ich würde es gern ändern. Allein, mir fehlt die Zeit. Deshalb vertröste ich die werte Leserschaft mit einem Hinweis auf meine Lieblings-Tastenkombination auf Windows-Rechnern: Wenn man mehrere Anwendungen geöffnet hat, lässt es sich wunderbar zwischen den einzelnen Programmen hin und her schalten, wenn man die ALT-Taste gedrückt hält und dann die Tabulator-Taste drückt. Es erscheint ein kleines Fenster, in dem alle Anwendungen angezeigt werden – und dort kann man dann von einer zur anderen springen. Sobald man ALT und Tabulator loslässt, erscheint das gewählte Fenster im Vordergrund. Man kann auch in entgegengesetzter Richtung durch die Programme blättern, wenn man auch noch die Shift-Taste drückt. Das erfordert aber einiges akrobatisches Geschick. Ich bin mir sicher, Euch mit diesem Faszinosum Beschäftigung für mehrere Tage geliefert zu haben und verbleibe mit freundlichem Gruß. Christian

Pauls Routenplaner

Paul Gerhardt schafft es immer wieder. Die Kirchenlieder-Texte aus seiner Feder sind wirklich beeindruckend. Nach dem frühlingshaften “Geh aus mein Herz” empfehle ich heute – passend zur grauen Jahreszeit ein eher getragenes Lied, das Trost spenden soll: “Befiehl Du Deine Wege”.

Befiehl du deine Wege (EG 361)

Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt
der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft, und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn,
der wird auch Wege finden, da dein Herz gehen kann

Dem Herren musst du trauen, wenn dir´s soll wohlergehn;
auf sein Werk musst du schauen, wenn dein Werk soll bestehn.
Mit Sorgen und mit Grämen und mit selbsteigner Pein
lässt Gott sich gar nichts nehmen, es muss erbeten sein.

Auf, auf, gib deinem Schmerze und Sorgen gute Nacht,
lass fahren, was Dein Herze, betrübt und traurig macht;
bist du doch nicht Regente, der alles führen soll,
Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl.

Ihn, ihn lass tun und walten, er ist ein weiser Fürst
und wird sich so verhalten, dass du dich wundern wirst,
wenn er, wie ihm gebühret, mit wunderbarem Rat
das Werk hinausgeführet, das dich bekümmert hat.
(Text: Paul Gerhardt, 1653)

Buntes Treiben im “Grauen Esel”

Heute vor 13 Jahren begann meine Laufbahn als Journalist. Am 13. November 1993 hat zum ersten Mal eine Tageszeitung einen Text von mir gedruckt (und dafür auch gleich bezahlt, ein paar Mark.) Und hier ist er noch einmal, wegen des großen Erfolges:

Buntes Treiben im Grauen Esel

So beginnen Journalisten-Karrieren: Außer die klassischen Fakten zu erwähnen habe ich auch an den Mehrwert für den Leser gedacht und unter anderem die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel empfohlen.

Die Ankündigung für einen Basar in einer Kindertagesstätte im Lübecker Stadtteil St. Jürgen ebnete mir den Weg in die Lokalredaktion der Lübecker Nachrichten. Die Redaktion hat den Text – meiner Erinnerung nach – 1 zu 1 übernommen und vor allem auch meinen Überschriftenvorschlag akzeptiert (darauf war ich besonders stolz). Was folgte, war wenig später der erste richtige Auftrag der Redaktion: Eine Rezension über “Wachtmeister Holm”, der am Wochenende im Kolosseum aufgetreten war. Zehntausende Zeilen habe ich inzwischen geschrieben, tausende Fotos gemacht, O-Ton-Material gesammelt, das für mehrere Wochen reicht, tagelang im Radio erzählt – und es macht mir immer noch Spaß.

Früher bei den LN bekam ich immer eine Gänsehaut, wenn die Rotationsmaschine anlief und der Hauch von Druckfarbe durch die Flure wehte. Und heute läufts mir vor Begeisterung manchmal kalt den Rücken runter, wenn die Arbeit von ganz vielen Personen zusammen eine schnelle, aktuelle, unterhaltsame Radiosendung ergibt, zu der ich etwas beitragen kann.

Soweit wäre es vielleicht nicht gekommen, wenn meine ersten redaktionellen Schritte bei den LN nicht so wohlwollend begleitet worden wären. So haben sich die Kollegen oft Zeit genommen, mit mir ausführlich über meine Texte zu sprechen, positiv und negativ zu kritisieren, gemeinsam Änderungsvorschläge zu erarbeiten. Und ich hatte bei den LN oft die Chance, Neues auszuprobieren, mich Herausforderungen zu stellen und einfach mal was zu machen, als freier Mitarbeiter, als Volontär und natürlich auch als Redakteur. Für diese äußerst “praktische Einführung in den Journalismus” bin ich sehr dankbar.

Diese Aufgeschlossenheit, diese Geduld und Ehrlichkeit, die habe ich mir zum Vorbild genommen: Zuweilen begleiten mich jetzt Praktikanten bei meinen Reporter-Einsätzen – und für diese Gäste nehme ich mir oft auch mal ein bisschen mehr Zeit (wenn ich wenigstens einen Hauch von Interesse erkenne), lasse sie Beispieltexte recherchieren und schreiben und selbstverständlich auch sprechen. Manchmal fragen mich die Jungs und Mädels dann, warum ich das mache. In Zukunft werde ich dann einfach auf dieses Posting hier verweisen.

PS: Natürlich soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass meine journalistischen Wurzeln wohl schon ein bisschen früher als 1993 gekeimt haben. Ein historisches Tondokument wurde hier ja bereits veröffentlicht. Außerdem habe ich in der sechsten Klasse gemeinsam mit zwei Schulfreunden mal unseren Biolehrer, einen gestandenen Tierarzt interviewt (der ein Wildschwein aufgepäppelt hat, dessen Mutter im Grenzstreifen angeblich auf eine Mine getreten war) sowie für die Katharineum Ruderriege jahrelang an der Mitgliederzeitschrift layoutet und geschrieben. Außerdem habe ich gemeinsam mit Kumpel Schem im Offenen Kanal Lübeck die Show “Zum Blöden Bock” präsentiert. Eine Magazin-Sendung, über deren Inhalt vor allem wir beide herzhaft lachen konnten. Und dann war da ja während meines Studiums auch noch der heuler. Um mal so die wesentlichen Punkte zu nennen. Und weil auch meiner Verwandtschaft nicht verborgen blieb, dass ich so ein Pressefritze werden wollte, war es dann Onkel Godehard, der mich an einen dpa-Geschäftsführer vermittelt hatte. Und dieser Mann hat mir nach langen und interessanten Ausführungen über das Journalistengeschäft empfohlen, einen Beispeiltext zu schreiben und mich bei meiner Lokalzeitung zu bewerben. Es war genau der oben erwähnte Beitrag.

Ottigramm

Holderitiih! Otto war heute in Rostock, um seinen neuen Kinofilm vorzustellen. Ich habe ihn interviewt – hier ist der Beweis: Ein echtes Ottigramm aufm Mikro:

Ottigramm

Bleibender Eindruck: Unterschrift samt Ottifant auf Reporterequipment.

Wie es klingt, wenn Komiker auf Schaumstoff schreiben, ist gegen 18:40 Uhr heute im Radio zu hören

Lego-Party

Es ist schon ein paar Tage her, dass ich beim Grillen eine seltsame Geschichte zu hören bekam und an deren Ende ich mal wieder – ohne es hier an eine zu große Glocke hängen zu wollen – als Retter in der Not dastand. Wir saßen gerade mit fetttriefenden Fingern in geselliger Runde, als ein gewisser Carsten einfach so ins Blaue hinein fragte, ob denn jemand Lego-Steine hätte. Er hatte diese Frage wohl schon öfter bei ähnlichen Gelegenheiten gestellt. Jedenfalls machte er nicht den Eindruck, als würde er eine positive Antwort erwarten. Umso erstaunter war sein Gesichtsausdruck, als ich kundtat, dass ich schon im Besitz des einen oder anderen Steinchens wäre.

Dann ging’s los, Carsten erzählte eine fantastische Gesichte, die ich als “Mischung aus Star Wars und McGyver” kategorisieren möchte. Darin ging es um Computer-Lautsprecher, die so aussehen würden wie der Helm von Darth Vader (”Luke, ich bin Dein Vater”) und die er mit Hilfe traditioneller Spielzeugteile und ein bisschen handwerklichem Geschick (”ich bastel’ da mal was”) in ein Unikat zu verwandeln gedachte. Das alles habe den Zweck, seiner Freundin eine unglaubliche Freude zum Geburtstag zu machen – perfekt wäre es, wenn das Lichtschwert auch tatsächlich leuchten würde.

Man muss derlei Geschichten nicht auf Anhieb verstehen, Hauptsache, man kann helfen. Ich jedenfalls hatte noch nicht durchschaut, was das alles mit Lego zu tun hat. Vor lauter Begeisterung – und weil er sich so unglaublich kurz vor dem Ziel wähnte – fasste Lego-Carsten atemlos noch einmal die wesentlichen Punkte zusammen: “Überraschung … bauen … Lego-Männchen, schwarz … Star Wars …. Computer-Boxen … brauche einen Zweier, einen flachen, schwarz. … Stromleitung hindurch … Licht! … Lichtschwert!! …. Auf Computer-Lautsprecher stellen … irre … Wahnsinn!”

An Grillfleisch dachte in diesem Moment wohl niemand mehr. Während die Würstchen auf dem großen Teller in der Mitte des Tisches langsam auskühlten, der Salat sich in einem unbeobachteten Moment schon anschickte, ein bisschen vor sich hin zu welken und das Flaschenbier sein letztes Kohlensäurebläschen aushauchte, blickten wir Carsten gebannt mit einer Mischung aus Faszination und Skepsis an. Er wiederum senkte den Blick – wenn man wie er solche Geschichten schon öfter erzählt hat, dann ist das wohl der Moment, in dem alle anderen für gewöhnlich in schallendes Gelächter verfallen, abfällige Handbewegungen machen und sich vielsagende Blicke zuwerfen.

Das war mein Moment. “Ja, dann geh ich mal zum Auto und schau mal, was ich so für Steinchen da hab, nech”, konnte ich sagen und stand auf. Schwupps, war ich es, den alle gebannt anstarrten, bevor sie sich abwechselnd vielsagende Blicke zuwarfen.

Der Zufall wollte es, dass ich vor einigen Jahren meinem Patenkind mein eigenes Lego-Sammelsurium auf unbestimmte Zeit überlassen hatte. Bevor ich nach Rostock gezogen bin, hatte ich fast mein gesamtes Spielzeug gespendet. Eine der Ausnahmen waren die Lego-Steine, eine ganze Waschmittel-Tonne voll. Einer der wertvollsten Schätze aus meiner Kindheit – und der war sozusagen beim Patenkind geparkt. Der Gute hatte zwischenzeitlich bessere Verwendung dafür. Nun ist es aber so, dass er inzwischen dank spendierfreudiger Anverwandter selbst ein kleines Lego-Imperium aufgebaut hat und – kurz und gut – mein altes Zeug nicht mehr benötigt. Bei meinem letzten Besuch habe ich also meinen Lego-Kram wieder eingeladen. Keine zwei Wochen später – die in rotem Filz eingeschlagene Lego-Tonne stand immer noch in meinem Kofferraum – hatte ich es beruflich-terminlich sehr eilig, nach Bützow zu kommen. Nun ist die Strecke von Rostock aufs Dorf derart kurvig, dass ich plötzlich ein Geschepper hinter mir vernahm, als würde jemand ein riesiges Tablett mit Sektgläsern auf einen Glastisch fallen lassen: Die Tonne war umgekippt. Wenig später sah man mich – nach getaner Arbeit – auf dem Parkplatz von Bützow hektisch Legosteine aus meinem Kofferraum zurück in die Tone schaufeln. Bei nächster Gelegenheit habe ich sie dann doch aus dem Auto in meine vier Wände geschleppt. Aber einige Steine hatte ich wohl übersehen.

Und das sollte Carsten ein paar Tage später einen schönen Abend bescheren. Schon beim Ausladen der Grillutensilien waren mir ein paar bunte Klötze im Laderaum aufgefallen, Überreste des Spielzeug-Desasters in meinem Auto – und die klaubte ich nun zusammen, um sie Lego-Carsten unter die Nase zu halten. So in etwa stelle ich mir eine Tupper-Party vor: “Ich geh noch mal schnell zum Wagen, da habe ich noch ganz was Feines für sie” – um wenig später mit seltsamen Kunststoffgebilden wieder in der Tür zu stehen. In diesem Fall mit: Einem roten quadratischen Vierer, dazu ein flacher roter Zweier, eine schwarze Polizeimütze und ein schwarzer Zweier, flach, mit einer Art Leiter dran, auch als Kühlergrill zu verwenden. Carsten geriet in Verzückung, hielt das kleine schwarze Artefakt gegen das Neonlicht der Küchenlampe, kniff die Augen zusammen, kratze sich am Kinn, wog das kleine Teil in seiner Hand als wäre es aus Blei – und vor seinem inneren Auge schien plötzlich alles einen Sinn zu ergeben: “Das ist noch besser als ein normaler flacher Zweier”, erklärte er. Wie viel ich denn dafür haben wollte.

Klar war: Das wird nicht billig. Allerdings waren mir die Weltmarktpreise für historische Lego-Steine nicht geläufig – und so stellte ich als Bedingung, dass ich nicht mehr verlangen würde als ein Foto von der fertigen Skulptur, zu deren Gelingen ich in entscheidendem Maße beigetragen habe. Und nun, verehrte Leser: Das Kunstwerk samt leuchtendem Lichtschwert. Das alles ist nur gelungen, weil mir eine Tonne mit Lego-Steinchen im Auto ausgekippt ist – ich bin sehr, sehr stolz.

Darth-Vader aus Lego 1

Diese Kombination aus Computertechnik und Spielzeug sorgt in manchen Haushalten für Verzückung.

Darth-Vader aus Lego Detailansicht

Da irgendwo steckt mein Lego-Steinchen drin.

Termin-Tipps

Es ist gute Sitte und schöner Brauch, im Radio regelmäßig über illustre anstehende Termine zu informieren, damit sich geneigte Zuhörerschaft alltäglich bei Kulturellem, Kulinarischem, Konzertantem, Kunstvollem und/oder Komischen verlustieren kann. Ich erzähle darüber gerne im Radio, allerdings wäre mein Leben viel leichter, wenn vor allem die Galeristen unter den Kulturschaffenden die grundlegenden Gepflogenheiten einigermaßen erfolgreicher Pressearbeit beherzigen würden. Die Leute von Umweltschutzverbänden, Kindertagesstätten und dergleichen schaffen es ja auch, kurz, knapp und vor allem umfassend über ihre persönlichen Veranstaltungshighlights zu informieren. Nur von den Damen und Herren Galeristen bekommt man bloß irgendwelche Postkarten zugeschickt. Da steht dann drauf, wann die Ausstellung eröffnet wird, aber nicht, wann man sie in den Tagen danach besichtigen kann. Und wenn sich einer durchringt, das doch mal anzufügen, dann kann man sicher sein, dass nirgendwo die Öffnungszeiten stehen. Soll ich raten? Und ist an Feiertagen auch geöffnet? Stattdessen viel Geschwafel mit so sinngebenden Sätzen wie “Er hat etwas mitzuteilen […]. Man muss seine Bilder sehen”. Ja. Es ist mein Beruf zu recherchieren, ich mache das gern, ich werde dafür bezahlt. Nur wenn man für 1-Minute-20 mit Termintipps zehn Telefonate führen muss, entscheide zumindest ich mich zuweilen eher dafür, in der Terminmappe bloß weiterzublättern. Grundlegend sollte eine Pressemitteilung die Fragen beantworten, wer was wann wo wie und warum macht. Auch eine Telefonnumer für Rückfragen wäre nicht schlecht. Ich habe zu Hause noch eine vor Jahr und Tag verfasste Anleitung für die Pressearbeit von Vereinen und anderen auf dem Rechner liegen. Die werde ich hier mal online stellen. Ein Termin steht noch nicht fest, ich werde es aber rechtzeitig ankündigen. Und dann wird er hier rund um die Uhr zu lesen sein – auch an Feiertagen.

Bitte warten

Ja, es gibt mich noch. Ja, es geht mir gut. Und ja: ich habe hier ganz schön was nachzuholen. Das Urlaubstagebuch samt Bilderreigen fehlt noch. Die Auflösung für das Kiss-and-Ride-Rätsel wurde ja schon genannt – und zudem gibt es auch noch zahlreiche Anregungen aus der kohlhof.de-Leserschaft. Außerdem gilt es, über ein ungewöhnliches kohlhof.de-Hilfsprojekt zu berichten, das mit Star Wars und Lego zu tun hat. Allein mir fehlt im Moment die Zeit, das alles aufzuschreiben. Bitte haben Sie noch etwas Geduld. Der nächste freie Mitarbeiter wird sich um Ihr Anliegen kümmern. Vielen Dank für das Vertrauen, das Sie uns entgegenbringen. …

We like to mauve it!!

Es hat schon gereicht, es nicht zu sagen, um eine endlose Diskussion über Farben vom Zaun zu brechen. Und das kam so: In der Mensa gibt es jetzt Zahlkarten, die das Rumgepule in verfilzten Studentenportemonnaies überflüssig machen sollen. Geld draufladen, an der Kasse ans Lesegerät halten, fertig. Schön. Die Karten für Studenten sind mit einem – nennen wir es mal grün – also mit einem grünen Streifen gekennzeichnet. Für Dozenten, Besucher und Großverdiener, die den vollen Preis zahlen, tragen die Karten einen – hier jetzt der Einfachheit halber mal – pink zu bezeichnenden Streifen.

Es ging am Mittagstisch nun also um den Nutzen dieser Karten, der allgemein anerkannt wurde. Einer Kommilitonin schräg gegenüber gab ich zu bedenken, dass der Streifen auf der Großverdiener-Karte auch ganz gut zu ihrem Oberteil passen würde. Mann, da hatte ich was gesagt. “Weil der Pullover ja auch so schön pink ist oder was?” wurde ich postwendend angegiftet. „We like to mauve it!!“ weiterlesen

Mutti und Vati prangern an

Mal angenommen, man findet nach einem Kurzurlaub die eigene Wohnung dergestalt vor, dass es nach Kotze, Schnaps und Rauch stinkt. Was kostet es wohl, die Folgen zu beseitigen? Wahrscheinlich eine ganze Menge. Jedenfalls fallen die Kosten für eine zweispaltige Zeitungsanzeige in diesem Zusammenhang wohl kaum ins Gewicht:

Rache per Annonce

Verzweiflungstat entsetzter Eltern: Der Annoncen-Pranger im Lokalblättchen rechnet mit dem eigenen Nachwuchs ab.

Jan-Thomas K., über den wir nicht wissen, wie alt er ist (und ob er jetzt immer noch bei seinen Eltern wohnt), hat Mama und Papa wohl wenig Freude gemacht. Ich habe mich ja schon immer gefragt, was Mitarbeiter von Anzeigenabteilungen wohl denken, wenn Leute kommen, um Texte aufzugeben. Wie lange dauert es zum Beispiel, bis die Dame hinterm Tresen wenigstens innerlich ausrastet, wenn wieder irgendwer ne Anzeige aufgibt wie etwa: “Kaum zu glauben aber wahr, Oma Pacholke aus der Knut-Wernersen-Straße in Posemuckel wird heut’ 78 Jahr'” Das ist wohl nur mit tödlicher Routine zu ertragen. Was aber wird im Anzeigenbüro losgewesen sein, als Karin und Reiner K. dort ihr Ansinnen vortrugen? “Sie möchten eine Familienanzeige aufgeben? Hochzeit, Geburt oder ein bedauerlicher Todesfall?” Papa: “Wohl eher Letzteres!” Wie lange wird man wohl gemeinsam am Text gefeilt haben und hat die groben Schimpfwortklötze mühsam behauen und lieblos geschliffen mit einem Sandpapier aus Wut und Enttäuschung. Und das alles, damit die Anzeigentante wenig später und mit betont sachlichem Blick über ihre Goldrandbrille noch einmal zusammenfassen darf: “Ich lese dann noch einmal vor: ‘… verdrecktes, nach Erbrochenem, Alkohol und Rauch stinkendes Haus… diese jungen Leute stammen vom Schwein ab.’ Wieviele Ausrufezeichen dürfen wir denn anfügen?”

Mama und Papa K. werden die Geschäftsstelle verlassen haben mit dem Gefühl, es ihrem Sohnemann mal richtig gezeigt zu haben. Die Frage ist, ob der Junge das überhaupt schon gelesen hat. Sie hätten vielleicht lieder eine Internetseite schalten sollen – die Jugend, um mal ein Vorurteil zu bemühen, liest doch heutzutage gar nicht mehr…

Und viel mehr ist noch unklar: Wie sind die Eltern an die Namen der anderen mutmaßlichen Helfer gekommen. Durch ein knallhartes Verhör? Gibt es Video- oder Bildmaterial von dem Ereignis, das für die Geruchsbelästigung in den eigenen vier Wänden verantwortlich ist? Und vor allem: Stellen sich die Eltern damit nicht selbst mit an den Pranger? Ist ihnen in ihrer Wut klargeworden, dass sie mit der Behauptung “diese jungen Leute stammen vom Schwein ab” auch ihren eigenen Sohn mit einbeziehen? Na, und von wem stammt der ab? Genau! Was sind also Karin und Reiner K-Punkt? Und wieder mal kein guter Tag für Familie K. …

Entdeckt in Binz, leider keine Angabe, wo erschienen (die Anzeigen drumrum lassen auf Niedersachsen schließen (Steinhude, Wunstorf), aber ein Datum: Die Zeitung ist vom 7./8. Oktober.

PS: Auch ich bin aus meinem Kurzurlaub zurück – und habe meine Wohnung so vorgefunden, wie ich sie hinterlassen habe. Was ich zwischen Ab- und Anreise erlebt habe, werde ich hier gerne mitteilen. Aber jetzt gehe ich erst auf eine Party, mal sehen, ob ich dort, äh, helfen kann…