Kirsche mit Ü

1995, 26. November, Musik- und Kongresshalle. “Fury in The Slaughterhouse” sind zum Konzert gekommen. Als Vorband kam ein Mann auf die Bühne. Er hatte eine Stehlampe dabei, trung geringelte zu weite und zu kurze Stoffhosen, ne Strickmütze und begann sein Programm. Heute:

Kürsche: The same as being you

Der junge Mann wirkte wie ein Clown, rockte denn aber derart los, dass die Halle – meiner elf Jahre alten Erinnerung nach – richtig lostobte. Ein Deutschrocker mit englischen Texten und Entertainerqualitäten spielte eine Mischung aus Pop, Rock, Jazz und Folk. Seinen echten Namen möchte Kürsche nicht verraten. Is ja auch egal. In diesem Song jedenfalls, der vom 1997er-Album “I’m here” stammt, gehts zunächst auch mal ganz sutsche los. Nur Gitarre, ein bisschen Synthesizer, dann Schlagzeug und schließlich wieder Kürsche deutlich hörbar an der Klampfe. Eine rockige Liebeserklärung, die rummst.

Die Kürsche im Netz .

Triphop-Tipp: Top!

Vor zwei Tagen in der CD-Abteilung vom Elektronikmarkt. Natürlich gibt es Musik als Hintergrundberieselung. Ein Song fällt auf. Eine Frau singt mit leicht kratzender Stimme, dazu treibende Beats, Synthesizer, Streicher, Gitarren – das einzige Wort aus dem Text, das auf Anhieb zu verstehen ist, ist “Flashlights”. Keine Ahnung, welche Band das ist. Und der freundliche Mitarbeiter hat tatsächlich noch genau ein Album da (“die gehen heute weg wie warme Semmeln”). In der Rubrik “Musik des Tages” heue:

Röyksopp: What Else is There

Triphop heißt das Genre für diese mal fröhliche, mal mystische elektronische Musik. Ambient und Chill fällt mir dazu ein – so würde ich es nennen, aber ich habe ja keine Ahnung. Spätestens zum Bandnamen, da fällt wohl auch den Experten kaum noch etwas ein. Vielleicht denkt man unwillwürlich an Roy Black und wünscht sich dann mit Schaudern schnell andere Gedanken. Röyksopp ist ein normegisches Wort bezeichnet wohl einen seltenen Pilz.

Hinter dem Namen stecken zwei Jungs, die – so will es die Legende – schon in der Schule mit Keyboards, Samplern und Computern Musik gemacht haben, während der Rest der Schule auf Gitarren und Schlagzeuge eindrosch. Über Independent-Labels verkauften sie schließlich über 750.000 Stück ihres ersten Albums, waren unter anderem mit Moby auf Tour und steuerten für das Betriebssystem MacOS 10.3 (Jaguar) den Erkennungssound bei.

“What Else is There” klingt so, als würde man sowieso nie ganz dahinter kommen, worum es eigentlich geht. Und auch die Musik klingt auf faszinierende Art vertraut und geheimnisvoll zugleich, melodisch und neuartig. Das gilt für das gesamte Album “The Understanding”, dem “What Else is There” als Single entnommen wurde. Erholsam und fordernd zugleich.

Homepage der Band

Porträt bei laut.de

Eintrag bei Wikipedia.de

Blubberbläschen

Die Auszeichnung “World Press Photo” für das Jahr 2005 ging an ein Bild, das die Hungersnot in Afrika thematisiert. Preise werden aber auch in anderen Kategorien vergeben. So kürte die Jury auch Sportfotos. Das ihrer Meinung nach beste ist dies hier:

1st prize Sports Action Stories - Donald Miralle, Jr., USA, Getty Images - Sports portfolio: Aaron Peirsol during the Santa Clara Grand Prix, 26 June

Ist es ein Vogel, ist es ein Flugzeug? Nein, es ist Aaron Peirsol unter Wasser, fotografiert von Donald Miralle jr. für die Agentur Getty Images. Die Lichtbrechungen am Beckenrand, die Blubberbläschen, die gen Oberfläche steigen und dazu die gespannte Haltung des Körpers machen diese Aufnahme Dank ihres ungewöhnlichen Blickwinkels zu einem echten Hingucker.

Bildnachweis:
1st prize Sports Action Stories
Donald Miralle, Jr., USA, Getty Images
Sports portfolio: Aaron Peirsol during the Santa Clara Grand Prix, 26 June

(World Press Photo)

Prima, prima aus Dänemark!

Von unseren nördlichen Nachbarn sind in den zurückliegenden Wochen verhängnisvolle Botschaften in alle Welt gegangen. Karikaturen, unüberlegt gezeichnet auf der einen Seite, bewusst missverstanden, überbewertet und für Radikalen-Proteste instrumentalisiert, beherrschen seit Tagen die internationale Berichterstattung. Schlechtes dänisches Krisenmanagement im Innern und nach Außen und übertriebene Proteste von Islamisten sollen hier jetzt keine weitere Rolle spielen. Für die Musik des Tages verweise ich an diesem Sonntag gerne auf einen speziellen Internetstream von Danmarks Radio. Heute:

Danmarks Radio: DR Jazz

Smoothig, sophisticated, rauchig, abwechslungsreich: Jazz, Modern Jazz, Swing. Herrlich, ich mags. Und da erinnere ich mich gerne an einen Werbespot für Lakritz-Naschwerk aus Bonn, das hierzulande einst mit “Prima, prima aus Dänemark” beworben wurde. Den Prima Jazz gibt es hier im Stream.

Ball mit Bart?

Eingangs eine Frage zu rein statistischen Zwecken: An welche bekannte Persönlichkeit der deutschen Geschichte erinnert dieses Maskottchen der deutschen Polizei am ehesten?

WM2006 Polizeilogo

A) dolf Hitler
B) undeskanzler Kohl
C) lemens von Brentano
D) en deutschen Michel… oder
N) iemanden, was soll das denn?

Im Falle der britischen Boulevard-Zeitung “Sun” hätten die Redakteure wohl schon geantwortet, bevor die letzten vier Antworten überhaupt bekannt geworden wären. Ausgerechnet die deutsche Polizei wolle mit Hitler in ihrem Werbelogo bei der WM punkten, heißt es in einem Beitrag des Massenblattes, das für gewöhnlich noch lauter poltert und pöbelt als das Geschlechtsteil der deutschen Massenmedien, das für millionenfache Ruchlosigkeit verantwortlich sein soll.

Die “Sun” gilt allgemein als – nennen wir es mal – “Deutschland-kritisch”. Ihre Berichterstattung über die Krauts auch außerhalb der Karikaturenspalte hätte in anderen verzerrt dargestellten Ländern womöglich schon des öfteren ausgereicht, den Mob zum Niederbrennen diplomatischer Vertretungen anzustacheln.

Die “Sun” also hat in dem Logo, mit dem die Polizeien des Bundes und der Länder für ihr Einsatzkonzept während der Fußball-WM werben, den nationalsozialistischen Oberverbrecher und Menschheitsfeind erkannt. Das war so nicht gedacht, versichert der Polizist und Karikaturist Jürgen Tomicek, der seine spitzen Zeichnungen deutschlandweit unter anderem in Tageszeitungen veröffentlicht. Er hat den Ball – samt Schirmmütze und keckem schwarzen Fleck mittig über dem Mund – entworfen. Der grinsende Ball jongliert dabei mit einer Erdkugel, in etwa so wie Charlie Chaplin als der Große Diktator.

Spiegel-online berichtet darüber, spricht von britischer Hitler-Phobie. Letztere ist im Kern nicht ganz von der Hand zu weisen angesichts der teilweise abenteuerlichen Geschichten, die die “Sun” druckt. Aber, mal ganz ehrlich: Die Grafik enthält mit Mütze und Nasenpunkt doch einige Schlüsselreize, die beim flüchtigen Blick zumindest Schtonk-Assoziationen wecken.

Es ist absurd, der Polizei und Tomicek Absicht zu unterstellen oder zu vermuten, die föderal organisierte deutsche Ordnungsmacht im Jahr 2006 wolle mit Nazisymbolen um Sympathien werben. Auch der Zeichner beteuert, er habe diese Intention bestimmt nicht gehabt, und es ist ihm zu glauben. Zumal er sich immer wieder mit seiner spitzen Zeichenfeder mit dem Thema Rechtsradikalismus auseinandersetzt und Rassenhass, Fremdenfeindlichkeit, radikale Parteien und Deutschtümelei entlarvt und anprangert. Aber in diesem Fall: So ganz glücklich ist die Motivgestaltung wohl tatsächlich nicht gewesen, zumindest beim ersten Blick war ich doch ganz schön irritiert.

Statistik mit Jack Pot

21 Millionen Euro im Lotto-Jackpot – das bedeutet Ausnahmezustand an manchen Annahmestellen. Die Hoffnung auf das große Geld ist berechtigt, aber die einzige Möglichkeit, da ranzukommen ist: die richtigen Zahlen ankreuzen. Welche da sind, entscheidet allein das Glück. Ein Blick in die Lotto-Statistik hilft jedenfalls nicht – sie ist nur amüsant. Die dazu passende Internetseite ist was für Zahlenfreaks und Statistikfreunde. Dort ist in Tabellen das Ergebnis von 4411 Lotto-Ziehungen zusammengefasst. In scheinbar endlosen Zahlenreihen wird dort analysiert, welche Zahlen wann in welcher Kombination nach wie vielen Wochen Pause gezogen wurden. Hier die wichtigsten Erkenntnisse: Am häufigsten wurden in Deutschland bislang gezogen: 38, 26, 25, 27, 43, 49. Aber natürlich nicht gleichzeitig. Besonders selten fielen diese Kugeln aus dem Ziehungsgerät: 15, 10, 20, 28, 45, 13. Die 13 ist die Zahl, die bislang am seltensten gezogen wurde (Zusatzzahlen wurden nicht berücksichtigt). Wer die Millionen von Jack Pot haben will, muss nicht nur die passenden Zahlen raten, sondern muss auch einen Lottoschein haben, bei dem die letzte Ziffer der Losnummer mit der Superzahl übereinstimmt. Besonders oft war das bislang die 6, besonders selten die 5. Nun denn… ach ja: Alle Angaben ohne Gewähr.

Ach, übrigens

Gäbe es hier in der Sparte “Musik des Tages” eine Rubrik “Schnulzen”, müsste man sie gleich wieder umbenennen oder mit einem Zusatz versehen: “…, aber gute” könnte ich dazuschreiben. Denn so eine erlaube ich mir heute zu empfehlen. Eine musikalische Liebeserklärung. Heute

Van Morrison: Have I told you lately

Klavier und Streicher plätschern ganz sanft in den Song hinein, spielen ein bisschen in den oberen Oktaven sacht herum, und dann kommt Van Morrison fast wie zufällig nach dem Motto: “Ach, übrigens, was ich dir noch sagen wollte…” Was so beiläufig klingt, entpuppt sich als ebenso schlichtes wie überzeugendes Zeugnis absoluter Verehrung. “Hab ich dir schon gesagt, dass ich dich liebe?” Nein, ach, dann sag ichs einfach jetzt. “Füllst mein Herz mit Glück, nimmst all meine Trauer weg. linderst meine Sorgen.” Das ist nicht an irgenwen gerichtet, sondern ist wohl religiös gemeint. Der Song stammt vom Album Avalon Sunset aus demJahr 1989, das christliche Themen und Werte in den Mittelpunkt stellte. Und so ist dieser Song wohl eher ein Gebet zu Gott. Aber was für eins!

Presse-Foto des Jahres 2005

Die Finger sind klein, schmutzig, schwach. Sie greifen nach den Lippen einer Nigerianerin, die ernst, sogar ein bisschen traurig blickt. Diese Szene, eine echte Momentaufnahme von einer Mutter mit ihrem Kleinkind ist das Motiv des “World Press Photo 2005”.

Welt-Presse-Foto 2005 - World Press Photo of the Year 2005, Finbarr O’Reilly, Canada, Reuters, Mother and child at emergency feeding center, Tahoua, Niger, 1 AugustFinbarr O’Reilly aus Kanada, Fotograf der Nachrichtenagentur Reuters hat es im Niger in Afrika gemacht. Dort herrscht eine Hungersnot. Nach Angaben der Jury, die über 80.000 eingereichte Bilder beurteilte, vereint das Welt-Presse-Foto “Schönheit Horror und Verzweiflung”. Eine Galerie der ausgezeichneten Bilder gibt es bei faz.net und Spiegel-online. Weitere Infos über den Wettbewerb gibt es auf dessen Internetseite in den Niederlanden.

Verwendung des Bildes mit Genehmigung von World Press Photo, Amsterdam:
World Press Photo of the Year 2005
Finbarr O’Reilly, Canada, Reuters
Mother and child at emergency feeding center, Tahoua, Niger, 1 August

Seegrasgeisterpfeifenfisch

Es gibt so Wörter, die scheinen gar kein Ende nehmen zu wollen: Donaudampfschifffahrts­gesellschafts­kapitänsmützen­abzeichen­stanz ­maschinenbedienungs­handbuch­layout­fachkraft ist so ein Wort. Nun gut, den zweiten Teil habe ich mir eben ausgedacht. Das fiel mir ein, als ich bei meinen ausgedehnten Streifzügen durchs Netz auf ein ganz kleines possierliches Kerlchen gestoßen bin. Er schwimmt unter anderem vor Indonesiens Küsten und wohl auch im Roten Meer. Dabei tarnt er sich so gut, dass selbst Wikipedia keine Ahnung hat, was das sein soll. Nur Onkel Google weiß mal wieder alles besser. Es geht um den “Seegrasgeisterpfeifenfisch”. Was für ein Monster, aber auch nur was die Länge seines Names angeht. See, Gras, Geist, Pfeife, Fisch. Fünf Wörter -und er sieht nicht einem einzigen dieser Begriffe auch nur annähernd ähnlich – nicht mal einem Fisch (!). Und überhaupt: Man sieht ja nicht mal, wo vorn und hinten ist. Es ist einfach nur ein grüner oder brauner Fetzen mit weißen Punkten, der unter Wasser treibt.

Das ist wieder so ein Moment, in dem man Biologen beneiden kann: Kaum entdecken Sie ein bislang unbekanntes Lebewesen, schon dürfen sie sich einen Namen dafür ausdenken. Ob im vorliegenden Fall die Namensfindung eher auf den Drogenkonsum seines Entdeckers schließen lässt, kann wohl nur ein Blick in eine gut sortierte Bio-Bibliothek klären. Ansonsten bleibt noch anzumerken, dass als Name – gemessen an der Optik des Objekts – durchaus auch “PlattGewalzterKaktusUntertauchDings” gepasst hätte. Naja, zu spät.